Recension of the “mBook Russian-German Cultural History”
Recension of the “mBook Russian-German Cultural History”

Recension of the “mBook Russian-German Cultural History”

The critical review by historian Alex Dreger is devoted to the analyses of the distorted facts presented in the digital “mBook Cultural History of Russia-Germans”. He is of the opinion that a digital textbook like this has been long overdue. Unfortunately, this attempt has failed. The developers of the “mBook” had used some works of experts in Russia-German history, but none of them had been invited to participate in the work. Their participation could have significantly improved the level of the work. The members of the project team admit that they had a very weak idea about Russia and were dependent on some external information. In the current state, the “mBook Cultural History of  Russia-Germans” is anything but recommended for schools.

Stellungnahme zum „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte

Inhaltsangabe

Der Autor setzt sich mit den verdrehten Fakten, die im von der Bundesregierung geförderten digitalen „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ dargelegt werden, auseinander. Ein solches digitales Lehrbuch ist schon längst fällig. Leider ist dieser Versuch misslungen. Die Verfasser bedienten sich mit den Werken der Experten der russlanddeutschen Geschichte, aber keiner von denen wurde zur Arbeit herangezogen. Trotz der Tatsache, dass diese Forscher unsere Zeitgenossen sind und ihre Beteiligung entscheidend das Niveau der Arbeit verbessern könnte. Und das obwohl die Autoren sogar selbst zugeben, dass sie sehr schwache Vorstellung über Russland haben und auf die fremde Information angewiesen sind. In der aktuellen Verfassung ist das „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ für die Schule alles anders als empfehlenswert.

Am 02. März 2017 hielt Dr. Viktor Krieger einen Vortrag im Gerthard-Hauptmann-Haus in Düsseldorf. Während des Gesprächs nach dem Vortrag verkundete Herr Staatsekretär Thorsten Klute die baldige Erscheinung vom „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“, was mit sehr großem Interesse von allen Anwesenden empfunden wurde. Schließlich gibt es nach wie vor kein Lehrbuch über die Deutschen aus Russland. Genauso wie es kein Thema Russlanddeutsche in der Schule gibt, obwohl es sich um einige Millionen in Deutschland lebenden Menschen handelt.

Deswegen begrüßte die Versammlung diese Nachricht, da es sich dabei zweifelsfrei um einen Schritt in die richtige Richtung handelt. Auch wenn es keiner Bescheid darüber wußte, wer von den rennomierten Forschern der russlanddeutsche Geschichte diese Arbeit erledigte. Man ging aber davon aus, das ein Fehler ein Fehler zu viel ist und diesmal die Leser ein solides Werk erwarten können.

Jetzt ist „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ nach einer feierlichen Zeremonie in Detmold vorgestellt worden. Auch die Medien gingen an dem Ereignis nicht vorbei. „In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist die bundesweit erste multimediale Unterrichtshilfe für russlanddeutsche Kulturgeschichte erschienen. Das digitale Lehrbuch richtet sich an Schüler der Sekundarstufe I und II. Das „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ kann eingesetzt werden, um die Identität, Kultur und Geschichte von Deutschen aus Russland mehr in den Blickpunkt zu rücken.“ (http://blog.multimedia-lernen.de/das-mbook-russlanddeutsche-kulturgeschichte/)

Die Autoren fügen ninzu, dass „das mBook RD wendet sich der Geschichte der Russlanddeutschen sowie dem Verhältnis von Deutschen und Russen in Vergangenheit und Gegenwart intensiv zu.“ (http://blog.multimedia-lernen.de/das-mbook-russlanddeutsche-kulturgeschichte/)

Diese Zusatzbemerkung kann schon etwas stutzig machen. Das Verhältnis von Deutschen und Russen ist ein überdimensionales Thema, das die Geschichte der Russlanddeutschen ganz im Schatten lassen kann und sicher die Erzählung nicht einfacher macht.

Damit landen wir bereits bei der Fragestellung, wer die Russlanddeutschen sind? Klarheit darüber ist zwingend erforderlich, wenn man über ein Volk schreibt.

Im Kapitel „Deutsche und Russen“ versuchen die Autoren, die Frage zu beantworten. Allerdings erst dann, wenn man sich im Abschnitt 2.1 mit den Vorstellungen und Vorurteilen beschäftigt. „Was ist eigentlich Deutsch? – fragen die Autoren. Die 5 aufgeführten „fiktiven“ Texte konfrontieren die Schüler mit dem Thema. Dabei liest man im Text 3:

„Aber bei bestimmten Namen ist dann Schluss: Bülent oder Fereshda, Yücel oder M‘Boko – wer so heißt, der kann kein wirklicher Deutscher sein.“ (https://mbook.schule/rd/mbook/2-deutsche-und-russen/21-was-ist-eigentlich-deutsch/)

Inwieweit ist sowas für das Thema „Russlanddeutshe Kultur“ relevant?

Die gleiche Frage stellt man sich, wenn man Punkt 3 des Kapitels „Ist Deutschland ein Nationalstaat?“. Wie es scheint, hier gehen die Autoren nicht davon aus, dass sie über die Deutschen schreiben.

Der Eindruck verstärkt sich im Kapitel 2.2 „Was ist eigentlich Russisch?“. Zwar beginnt es mit dem Satz „In diesem Buch geht es um Russlanddeutsche“, aber weiter schreibt der Autor „Jetzt möchte ich fragen, was das typische Russisch-Sein ausmacht“. Das zeigt ganz deutlich, welche Vorstellungen der Autor hat. Vergessen wir nicht, das diese Ahnungslosigkeit den Schülern vermittelt werden soll! Das ganze Kapitel protzt mit der Ahnungslosigkeit. Dabei werden alle mögliche Klischees auf dem Stammtischniveau über die Russen angegangen – und zwar wider der Behauptung, der Autor schreibe über die Russlanddeutschen.

Im Kapitel 2.3 wird die falsche Information weiterverbreitet – zum Leidwesen jeden Historiker, der sich schon ansatzweise sich mit dem Thema “Russland im 18. Jahrhundert” beschäftigt hat.

„Am 22. Juli 1763 schrieb die russische Zarin Katharina die Große einen Brief und schickte ihn nach Deutschland. In diesem Brief lud sie deutsche Bauern und Handwerker ein, ins Russische Reich zu ziehen, sich dort niederzulassen und bisher unbebautes Land zu besiedeln.“ (https://mbook.schule/rd/mbook/2-deutsche-und-russen/23-woher-kommen-diese-deutschen-in-russland-eigentlich/)

  1. Der berühmte Ukas wurde in den Zeitungen abgedrückt.
  2. Es wurden keine Deutschen in der Einladung erwähnt. Sie galt allen Ausländern mit einer Ausnahme. Das kann man selbst aus dem aufgeführten Auszug entnehmen. Und es kamen neben den Deutschen tatsächlich auch die Vertreter anderer Völker.

Im Kapitel 3.5 staunt man als Russlanddeutscher nicht schlecht. Die Arbeitskleidung der Stalin-Ära wird für typische russlanddeutsche Mode erklärt. Steckt dahinter der bissige Hohn über die Menschen, die ihrem Besitz und allen Rechten enthoben wurden und zogen das an, was denen der Staat zur Verfügung zu überlassen bereit war?

Weiter liest man, dass der Kleidungsstil der bestimmten religiösen Gruppen „kann Identität verkörpern und, wie im Falle vieler Russlanddeutscher, ein Stück Erinnerung an die verlorene Heimat sein“. Solche Behauptungen entsprechen genauso der Wahrheit wie viele andere Verallgemeinungen in diesem Buch.

Die Gerichte der russlanddeutscher Küche sind es in der Wirklichkeit gar nicht. Obwohl diese sehr wohl existieren.

Zur Person des angeblich deutsh-russischen Schriftstellers Wladimir Kaminer würde ich einfach die Wikipedia empfehlen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Kaminer)

Inwieweit er als Experte für die Kulturgeschichte der Russlanddeutscher gelten kann, bleibt als eine offene Frage im Raum stehen.

Im Kapitel 4.2 lesen wir wieder die falsche Information. „Als die Mongolen ihren Vormarsch nach Nordwesten fortsetzen wollten, kam den Nowgorodern aber ein starker Verbündeter zu Hilfe: der russische Winter. Im Tiefschnee der russischen Wälder konnten die Mongolen ihre Überlegenheit nicht zur Geltung bringen. Sie drehten nach Süden ab, in Richtung Kiew, das sie im Jahr 1240 einnahmen“. (https://mbook.schule/rd/mbook/4-austausch-im-mittelalter-und-in-der-fruehen-neuzeit/42-die-schlacht-auf-dem-peipussee-alexander-newski-und-die-deutschen-kreuzritter/) Gerade im Winter galten damals die zugefrorenen Flüsse als die besten Straßen. Tatsächlich drehten die Mongolen vom Nowgorog gen Osten im Frühling 1238 um, nachdem sich das Ankommen des Tauwetters abzeichnete.

Im Kapitel 4.3 stoßen wir auf das einseitige Bild der Deutschen im Baltikum, die angeblich durch „die Ausbeutung der Einheimischen“ reich wurden. In keiner Zeile erfährt der Schüler, dass die Stadtbevölkerung (Handwerker, Ärzte, Händler) dort zum großen Teil deutsch war und für ihr Wohlstand hart arbeiten musste. Damals war die Lage der Bauer im Baltikum weder schlechter noch besser als in Deutschland und Europa.

Im Kapitel 5.3 werden die Leser in die Irre geführt, indem die Autoren den Brief des russischen Kaisers Alexander II. an den deutschen Kaiser Wilhelm I. (Quelle 6) nur im Zusammenhang mit dem Krimkrieg behandeln. (https://mbook.schule/rd/mbook/5-modernisierungsagenten-die-russlanddeutschen-im-19-jahrhundert/53-deutschland-und-russland-sind-nachbarn/)

In der Wirklichkeit geht es darin um das Verhältnis der beiden Ländern nach dem  unglücklichen Berliner Kongress im Folge des russisch-türkischen Krieges 1877–1878.

Im Kapitel 6.5 steht: „Im März 1953 starb J. Stalin. Im September 1955 führte die bundesdeutsche Regierung unter Konrad Adenauer Verhandlungen mit der sowjetischen Regierung über eine erste Normalisierung ihrer Beziehungen. In diesem Zusammenhang fand auch das Schicksal der Russlanddeutschen wieder mehr Beachtung. Im Ergebnis der Verhandlungen durften die letzten deutschen Kriegsgefangenen nach Deutschland zurückkehren. Über die Ausreise von etwa 130.000 „deutsche Zivilpersonen“(vorwiegend Russlanddeutsche) wurde zwar verhandelt, diese kam aber nicht zustande. In der Folge durften immer nur kleine Gruppen Deutscher, etwa aus dem Kaliningrader Gebiet (bis 1945 Königsberg) nach Deutschland ausreisen“. (https://mbook.schule/rd/mbook/6-fremde-und-feinde-die-russlanddeutschen-im-20-jahrhundert/65-russlanddeutsche-sowjetbuerger/)

Bei den „deutschen Zivilpersonen“ handelte es sich um die Internierten, von denen etwa 20.000 Zivilisten nach 1955 zurückkehrten. Die urprunglichen Zahlen und die genaue Zusammensetzung dieser Kategorie der Menschen bleiben unklar. (http://www.kas.de/upload/Publikationen/2011/Adenauer_Moskaureise/Adenauer_Moskaureise_Kapitel_1-10.pdf) Die Deportation der Deutschen aus Ostpreußen wurde bereits zur Stalins Lebzeit abgeschlossen und hat mit den Verhandlungen im Moskau im Jahre 1955 nichts zu tun.

Jeder kann Fehler machen. Bei der Lernliteratur werden aber normaleweise besonders hohe Anforderungen an die Qualität gestellt, da es um das Wissen der künftigen Generationen handelt.

Leider kann man in diesem Fall kaum über die Qualität sprechen. Die Form der Informationswiedergabe stand eindeutig vor dem Inhalt.

Die Verfasser bedienten sich mit den Werken der Experten der russlanddeutschen Geschichte, aber keiner von denen wurde zur Arbeit herangezogen. Trotz der Tatsache, dass diese Forscher unsere Zeitgenossen sind und ihre Beteiligung entscheidend das Niveau der Arbeit verbessern könnte. Und das obwohl die Autoren sogar selbst zugeben, dass sie sehr schwache Vorstellung über Russland haben und auf die fremde Information angewiesen sind.

Aus dem „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ erfährt man einiges, was ganz sicher nicht mit der Kultur der Deutschen aus Russland bis jetzt in Verbindung gebracht wurde. Beispiele sind im Glossar zu finden. „Burka“, „Hagia Sophia“, „Kreuzzüge“, „Kosacki“, „Mongolen“, usw. (https://mbook.schule/rd/mbook/glossar/) Dagegen sind viele wichtige Begriffe ungeachtet geblieben.

Überhaupt ist gerade die Kultur in der „Kulturgeschichte“ zu kurz ausgefallen. Der Aufsatz über die Kleidung ist eher peinlich. Jeder halbwegs gebildeter Mensch kann nur schmunzeln, wenn er Folgendes liest: „Das Kopftuch hat sich bei verheirateten russlanddeutschen Frauen aus freikirchlichen Gemeinden ab ca. den 1950er Jahren in der Sowjetunion durchgesetzt. Es wurde sowohl im Alltag als auch zum Gottesdienst getragen. Das Kopftuch wurde später von russischen und asiatischen Frauen übernommen, die es zum einen aus religiösen Gründen (orthodoxe Kirche, Islam) und zum anderen zum Schutz vor Staub trugen“. (https://mbook.schule/rd/mbook/3-identitaeten-und-heimaten/35-kleider-machen-leute/) Und wie werden moslemische Schüler reagieren, wenn sie aus diesem Werk erfahren, dass die Kopftücher im Islam angeblich von Mennoniten stammen?

Wie es am Anfang erwähnt wurde, verdienen sowohl die Russlanddeutschen als auch andere Mitbürger ein Lehrbuch über das Volk für die Schüler. Leider ist ein Versuch in diese Richtung wieder misslungen. In der aktuellen Verfassung ist das „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ für die Schule alles anders als empfehlenswert.

Supplement

Die Autoren des „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichtestellen sich vor:

Lukas Kneser

„Ich ging mit russlanddeutschen Kindern auf die Grundschule, begegnete ihnen beim Einkaufen und auf dem Spielplatz. Irgendwie waren sie ein bisschen anders: Meine russlanddeutschen Klassenkameraden trugen altertümliche Namen, sprachen einen Dialekt, den ich nicht kannte und ihre Omas trugen alle Kopftuch. ‘Warum sind die so?’, habe ich mich manchmal gefragt.

Später studierte ich dann Ethnologie und Soziologie. Ethnologie beschäftigt sich ständig mit ‘Anderssein’ und damit, wie man Menschen, die einem fremd sind, verstehen kann. Und Soziologie fragt ganz grundsätzlich: ‘Warum sind Menschen überhaupt so, wie sie sind und tun das, was sie tun?’

Als ich dann – über zwanzig Jahre nach meiner Grundschulzeit – an digitalen Schulbüchern und diesem mBook arbeitete, tauchten meine ganzen Kinderfragen wieder auf. Jetzt hatte ich die Möglichkeit, sie zu beantworten. In meinen Kapiteln habe ich genau das versucht. Ich habe dabei viel über russlanddeutsche Geschichte und Kultur gelernt. Und auch einen großen Respekt vor meinen früheren russlanddeutschen Klassenkameraden und ihren Familien gewonnen. Ich hoffe, dass euch das beim Lesen genauso geht.  Und am Ende könntet ihr vielleicht besser verstehen, warum ‘die so sind’ und warum ‘ihr so seid’, wie ihr seid.“

PD Dr. Marcus Ventzke

Ich bin Marcus Ventzke. Im diesem digitalen Schulbuch zur russlanddeutschen Kulturgeschichte habe ich vor allem die Kapitel 6, 7 und 8 geschrieben oder mitgeschrieben. Ich bin Historiker. Als Geschichtslehrer habe ich an verschiedenen Schulen gearbeitet. Heute unterrichte ich auch an der Universität. Geboren bin ich im Osten Deutschlands, und ich habe in den Jahren 1989/90 die Friedliche Revolution in der damaligen DDR miterlebt. Als Jugendlicher in der DDR hatte ich einen ‘Gorbi-Sticker’ auf meiner Jacke, weil ich hoffte, der sowjetische Staatschef Gorbatschow würde auch in der DDR für Reformen sorgen.

Diese Revolution von 1989/90 und ihre Folgen haben mich nicht mehr losgelassen. Ich wusste, dass die DDR und ihre Geschichte immer stark mit Geschichte und Politik der Sowjetunion verbunden waren. Dass es Russlanddeutschen gibt, habe ich erst später erfahren. Die Geschichte der Sowjetunion hat mich dadurch noch viel mehr interessiert.

In diesem mBook wollte ich folglich die Kapitel zur kommunistischen Diktatur in der Sowjetunion, zu ihren Wandlungen in der 1980er Jahren und zu ihrem Ende schreiben. Dabei habe ich mich stets gefragt, wie die Russlanddeutschen diese Änderungen erlebt haben und wie sie mit ihnen umgegangen sind. Deshalb habe ich auch die Interviews mit Russlanddeutschen geführt, die du in vielen Kapiteln finden kannst (siehe zum Beispiel die Kap. 8 und 9). Irgendwie sah ich immer auch ein bisschen mich in den Interviewpartnern, denn nach 1990 hatte auch ich einschneidende Änderungen meines Lebens und viele neue Herausforderungen zu bewältigen. Meine Absicht bei der Bearbeitung der Kapitelthemen war es also, Personen, ihre Lebensumstände und die ‘große’ Politik zusammen zu betrachten. Ist mir das gelungen?

Dr. Florian Sochatzy

Mein Name ist Florian Sochatzy. Ich habe ein Unterkapitel im mBook geschrieben. Normalerweise bin ich im Institut für digitales Lernen, das dieses digitale Schulbuch produziert hat, für andere Aufgaben zuständig.

Manchmal finde ich aber ein Thema so spannend, dass ich es selber schreiben will. In diesem mBook war es das Kapitel 3.4 “Heimat geht durch den Magen”. Ich bin fest davon überzeugt, dass uns die Essenserfahrungen aus unserer Kindheit und Jugend prägen. Sie sind für uns damit immer auch ein Stück Heimat und Identität. Bei mir ist das jedenfalls so.

Wenn man sich das Essen von Menschen und Gruppen ansieht, kann man viel über ihre Prägungen und Sitten herausfinden. Das wollte ich einmal in diesem Kapitel ausprobieren. Ich hoffe, dass ihr diese Frage auch so spannend findet wie ich.

Johanna Horst und Benjamin Heinz

Wir sind Benjamin und Johanna und haben uns mit dem Thema Kleidung und Identität beschäftigt. Dabei sind wir ein sehr unterschiedliches Team: Benni mag Mode und Trends und kann sich für Kleidung begeistern. Johanna mag Farben und Stoffe, interessiert sich aber nicht so für Klamotten. Gemeinsam sind wir im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte auf Erkundungstour gegangen. Im Archiv haben wir nach Informationen zum Zusammenhang von Identität und Bekleidung recherchiert. Und wir sind dort auch tatsächlich auf Tuchfühlung mit Kleidungsstücken gegangen. Wie das gekommen ist?

Während unserer Arbeitswoche im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte entdeckte unser Chef ganz begeistert das Archiv für Kleidungsstücke. Wir bekamen die Erlaubnis des Museums, einige Stücke ganz vorsichtig anzufassen und auch anzuprobieren. Und so beschlossen wir, ein Kapitel über Kleidung und Identität zu schreiben. Bei der Anprobe fiel die Wahl auf uns, Benjamin und Johanna. Und so hatten wir unser Thema gefunden: Zusammen haben wir fortan nun voller Begeisterung viele Fragen bearbeitet:

  • Wie hängen Kleidung und Lebensumstände zusammen?
  • Was senden Menschen mit ihrer Kleidung für Botschaften aus?
  • Haben Russlanddeutsche ihre Kleidung selbst hergestellt?
  • Was hat Kleidung mit Heimat zu tun?

Michael Günther

Mein Name ist Michael Günther. Im mbook Russlanddeutsche Kulturgeschichte habe ich die Kapitel 6.1. bis 6.4. geschrieben. Als studierter Historiker habe ich für Museen, Firmen und als selbständiger Projektmitarbeiter z.B. bei digitalen Schulbüchern gearbeitet. Derzeit bin ich in einer Schule tätig.

Ich erinnere mich noch gut an die erste Begegnung mit Wolgadeutschen. Im Osten Deutschlands, wo ich aufwuchs, waren Menschen anderer Nationalitäten eine Seltenheit. Einzig Vietnamesen, Mosambikaner und russische Soldaten habe ich bis zum Teenageralter erleben können. Plötzlich vernahm ich einen ‘seltsamen’ Akzent. Man erklärte mir, die ersten Wolgadeutschen kämen aus Russland zurück. Sie seien keine Russen, aber auch keine richtigen Deutschen. Das verstand ich damals nicht, wie konnte man weder das eine noch das andere sein?

In meinem Kapitel behandle ich, wie die Russlanddeutschen zu einem heimatlosen und ungewollten Volk werden konnten. Die Suche nach den Gründen für Unterdrückung und Grausamkeiten von 1914 bis 1945 war stets ein wichtiges Motiv. “Warum machen die Russen denn das?”, ist die Frage, die sich mir ständig stellte und ich auch für den Leser beantworten haben wollte. Die entstandenen Texte lieferten mir zusammen mit den Quellen die Antworten und machen mich gleichzeitig fassungslos über die schrecklichen Ereignisse. Letztlich waren mir lebendige Geschichten wichtig, die den Lesern das Schicksal der russlanddeutschen Vorfahren empfindsam und einprägsam näher bringen sollen.

Alex Dreger

Dipl.-Hist. Alex Dreger
Ausbildungs- und Forschungszentrum ETHNOS e.V.
Graduate historian Alex Dreger
Training and Research Center ETHNOS, registered association