Solidarity Actions of AFZ ETHNOS E.V. to Overcome Social Crises
Solidarity Actions of AFZ ETHNOS E.V. to Overcome Social Crises

Solidarity Actions of AFZ ETHNOS E.V. to Overcome Social Crises

On 03.01.2013, the German Bundestag of the 17th legislative period issued the “Report on Risk Analysis in Civil Protection 2012” (printed document 17/12051), in which, among other things, the effects of the pandemic by the “hypothetical, but realistic pathogen “Modi-SARS” were taken as a basis”. The frightening scenario can be reduced “through mutual support and consideration.” Some excerpts from this document:

“New cases are to be expected until a vaccine is available. The present scenario is based on a total period of three years, assuming that after this period a vaccine will be developed, released and available in sufficient quantities. The pathogen changes over the course of the three years through mutations in such a way that even people who have already experienced an infection become susceptible to infection again. This leads to a total of three waves of disease of varying intensity.” (p. 61)

“At least 7.5 million deaths are to be expected over the entire period (p. 76)”

“However, the impact of such a pandemic on society is difficult to assess and depends on various factors, such as the way in which the authorities act and communicate, media coverage, etc. In the present scenario, it is assumed that the majority of the population acts in solidarity and tries to reduce the impact of the event through mutual support and consideration.” (p. 88)

The author deals with the suffering-stricken history of the Russian-Germans and the effects of post-traumatic stress disorders on this ethnic group. Summarizing the experience of the organization Ausbildungs- und Forschungszentrum ETHNOS e.V., he proposes concrete measures to overcome their negative aftermaths.

Solidaritätsaktionen zur Überwindung der gesellschaftlichen Krisen aus der Praxis des Vereins AFZ ETHNOS e.V.

Am 03.01.2013 erließ der Deutsche Bundestag der 17. Wahlperiode den „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ (Drucksache 17/12051)1, in dem unter anderem auch die Auswirkungen der Pandemie durch das „hypothetische, jedoch mit realistischen Eigenschaften versehene Erreger „Modi-SARS“ zugrunde gelegt“ wurde. Das angsteinflößende Szenario kann „durch gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme“ verringert werden. Einige Auszüge aus diesem Dokument:

Es ist so lange mit Neuerkrankungen zu rechnen, bis ein Impfstoff verfügbar ist. Für das vorliegende Szenario wird ein Gesamtzeitraum von drei Jahren zugrunde gelegt mit der Annahme, dass nach dieser Zeit ein Impfstoff entwickelt, freigegeben und in ausreichender Menge verfügbar ist. Der Erreger verändert sich im Verlauf der drei Jahre durch Mutationen so, dass auch Personen, die eine Infektion bereits durchlebt haben, wieder anfällig für eine Infektion werden. Hierdurch kommt es insgesamt zu drei Erkrankungswellen unterschiedlicher Intensität.“ (S. 61)

Es ist über den gesamten Zeitraum mit mindestens 7,5 Millionen Toten zu rechnen (S. 76)“
Die Auswirkungen einer solchen Pandemie auf die Gesellschaft sind allerdings nur schwer abzuschätzen und hängen von verschiedenen Faktoren ab, z. B. von der Art und Weise des behördlichen Handelns und der behördlichen Kommunikation, der Berichterstattung in den Medien etc. Im vorliegenden Szenario wird davon ausgegangen, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich solidarisch verhält und versucht, die Auswirkungen des Ereignisses durch gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme zu verringern.“ (S. 88)

Ursprünglich positionierte sich der Verein Ausbildungs- und Forschungszentrum ETHNOS e. V. u. a. als Integrationsgemeinschaft bzw. Modellgemeinwesen (http://afz-ethnos.org/), die den Deutschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR beizustehen und sie zu vereinigen versuchte. Mit ihrem Schreiben vom 10.10.2008 unterstützte Stadt Dortmund das Projektvorhaben „Modellgemeinwesen Spätaussiedler Integrationskommune Dortmund … weil es mit Hilfe von Qualifizierungsangeboten die Bildungssituation und damit auch die Ausbildungs- und Beschäftigungssituation von Zugewanderten aus der Gruppe der Spätaussiedler verbessert und weil es anderseits die vorhandenen Strukturen (z. Bsp. vorhandene Elternnetzwerke) zusammenführt, koordiniert und damit eine Zusammenarbeit optimiert. Das Projektvorhaben fügt sich in die Fördermaßnahmen vor Ort ein, weil es eine Zielgruppe unterstützt, die bisher noch nicht dauerhaft und umfassend gefördert wurde Ethnos e.V. ist in entsprechenden Netzwerken vertreten (u.a. dem vernetzungstreffen der Dortmunder Migrantenselbstorganisationen unter Federführung des Integrationsbeauftragten der Stadt Dortmund) und ein wichtiger inhaltlicher Impulsgeber und Partner. Das Projektvorhaben „Modellgemeinwesen Spätaussiedler integrationskommune Dortmund“ wird mit seinen Inhalten und Erkenntnissen auch im Rahmen der Netzwerke aufgegriffen und vorgestellt und dient als Impulsgeber für die Zusammenarbeit mit der Zuwanderungsgruppe „Spätaussiedler“2

Ethnos e.V. ist in den lokalen Netzwerken vertreten (u.a. dem Vernetzungstreffen der Dortmunder Migrantenselbstorganisation unter Federführung des Integrationsbeauftragten der Stadt Dortmund) und dort ein wichtiger inhaltlicher Impulsgeber und Partner. Die Projektvorhaben von Ethnos e.V. werden unter konzeptionellen und inhaltlichen Gesichtspunkten durchaus in den Netzwerken aufgegriffen und diskutiert und dienen somit auch als Impulsgeber für andere Migrantenorganisationen.3

Auswirkungen der belastenden historischen Ereignisse
auf die Schicksalsgemeinschaft4 der Deutschen
aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR5.

Kurzgefasste Geschichte der Russlanddeutschen

1229 sandte der Smolensker Fürst Mstislaw Dawidowitsch (?; † 1231), auch im Auftrag der Fürsten von Polozk und Witebsk, eine Botschaft nach Riga und Wisby, um „die auf beiden Seiten herrschende Zwietracht zu beseitigen“ und „die Hindernisse zwischen den Einwohnern von Smolensk und den Deutschen zu beseitigen“.

Die Verhandlungen im Namen der Deutschen wurden vom Ritter Rolf von Kassel und im Namen der Russen vom in Smolensk ansässigen Diplomaten Tumasch (Thomas) Michailowitsch.

 „Auf dass Eintracht zwischen ihnen walte“ – so wird das in lateinischer Sprache verfasste Dokument eingeleitet – „und dass es den russischen Kaufleuten in Riga und auf dem gotischen Ufer und den deutschen Kaufleuten im Smolensker Gebiet behage, wie Friede und Eintracht gefestigt sind, und damit er ewig währe und den Rigischen und allen Deutschen, welche das Ostmeer befahren, teuer bleibe, so haben sie ein Recht aufgezeichnet, welches als Recht gelte für den Russen in Riga und auf dem gotischen Ufer, sowie für den Deutschen in Smolensk, und beobachtet werde in Ewigkeit.“6

Der Vertrag, in dessen letztem Teil jeder Russe oder Deutscher, der gegen seine Bestimmungen verstieß, zum Übeltäter erklärt wurde, wurde in Riga in Anwesenheit des Bischofs, des Herrenmeister des Schwertbrüderordens Volkwin von Naumburg zu Winterstätten (*?; † 1236) und aller Bürger von Riga unterzeichnet, die ihre Siegel daran befestigten.

Es wurde auch von den Leitern der Handwerkszünfte von Wisby, Lübeck, Soest, Münster, Gröningen, Dortmund und Bremen unterzeichnet. Eine Kopie wurde in Wisby von „russischen Gesandten und allen lateinischen7 Kaufleuten“ unterzeichnet.

Die Nachfolger von Mstislaw Dawidowitsch bestätigten und ergänzten den Vertrag von 1229. Die Klausel, die in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts eingeführt wurde, sicherte den Deutschen ein unbegrenztes Recht, Häuser und Gehöfte zu besitzen. Sogar der Fürst selbst konnte „weder einen Tataren noch einen Boten“ dort einquartieren.

Der Vertrag von Smolensk von 1229 mit den darauffolgenden Ergänzungen und Rechtsprechungen verbriefte de facto die 1. Kulturelle und wirtschaftliche Autonomie der Deutschen und bestimmte den sozio-rechtlichen Status der Deutschen in einem der bedeutenden osteuropäischen Fürstentümer. Er beeinflusste den geopolitischen Paradigmenwechsel in anderen osteuropäischen Staaten8 ein, nicht zuletzt im Großfürstentum Moskau.

Die Einladung der Deutschen

Ende März 1489 sandte der Großfürst von Moskau Iwan III., der sich als „Der Große Herrscher der ganzen Rus (Великий Государь всеа Руси)“ nannte, eine Botschaft an den Kaiser des Deutschen Reiches Friedrich III. (*1415; †1493) und seinen Sohn König Maximilian von Deutschland (*1459; † 1519), den zukünftigen Kaiser des Deutschen Reiches.

Die Anweisung vom 22. März 1489 an den persönlichen Gesandten Juri Trakhaniot (*?; †1513) und Iwan Chalepa, der ihn begleiteten, lautete:
„für den Großfürst diese Meister zu finden: einen Bergmann, der Gold- und Silbererz kennt, und einem anderen Meister, der weiß, wie man Gold und Silber von der Erde trennt …
und Juri, um einen listigen Meister zu suchen, der in der Lage wäre, die Städte zu belagern, und einen anderen Meister, der in der Lage wäre, aus Kanonen zu schießen, und auch einen listigen Maurer zu finden, der in der Lage wäre, große Gefäße und Tassen zu machen, und er in der Lage wäre, die Inschriften auf diesen Gefäßen zu prägen; und sie müssen vorbereitet werden, um dem Großfürst als Leiharbeiter zu Diensten zu stehen. Und falls diese Meister nicht angeheuert werden wollen, sondern gegen den großfürstlichen Gehalt gehen wollen, und auch dann muss Juri diejenige, die für ein Gehalt des Großfürsten arbeiten wollen, mitnehmen …“
9.

Dies ist die erste dokumentierte offizielle Einladung deutscher Spezialisten nach der Rus.

Diese Einladung hatte weitreichende Auswirkungen. Nach einiger Zeit fanden die deutschen Geologen die Silbervorkommen an der Zilma, einem linken Nebenfluss der Petschora. Dies ermöglichte es Russland unter Iwan III., Münzen aus seinem eigenen Silber zu prägen. „Die Zeit ohne Münzen (Безмонетный период)“ in der Geschichte der Rus war endlich vorbei.

Im XV. Jahrhundert wurde der doppelköpfige Adler des Byzantinischen Reiches zu einem Symbol des Widerstands gegen die türkische Aggression. Ab 1442 war er sowohl auf den Wappen des Heiligen Römischen Reiches (Deutscher Nation) und Russlands (seit 1495) als auch der Balkanvölker, die den ersten Schlag der türkischen Eroberer zu erleiden hatten.

Föderativer Staat
Khanat Kasan – Zarentum Rus – Königreich Livland

Der 1558 begonnene 25-jährige Große Koalitionskrieg wird in der Geschichtsschreibung als Livländischer Krieg (1558–1583) bezeichnet und als ein Kampf zwischen dem Zarentum Rus, Polen-Litauen, Dänemark und Schweden um die Vorherrschaft im Baltikumund im Ostseeraum dargestellt. Dennoch verzeichnen die Chroniken genau für diese Zeitspanne verwüstende Einfälle des Verbündeten des Osmanischen Reiches – der Krimtataren auf das Zarentum in den Jahren 1559, 1560, 1564, 1570, 1572, 1578, 1581 und 1582.

Der Ausbruch des Livländischen Krieges kam Polen-Litauen und dem Osmanischen Reich sehr gelegen. Die beiden waren an einer Ablenkung bzw. Schwächung des Verbündeten des Deutschen Reiches interessiert.

Am 17. Januar 1558 marschierten die Truppen Ioanns IV. in Livland ein, unter dem Vorwand, die vertragsbedingten Rückstände einzutreiben (was eigentlich auch den Tatsachen entsprach). Zwar waren die livländischen Städte an der Ostseeküste wegen des Handels mit Westeuropa von strategischer Bedeutung für das Zarentum. Schon 1557 gründete Ioann IV. mit Unterstützung der Moskauer Kompanie den neuen Hafen am Ufer der Narwa, nicht weit von ihrer Mündung in die Ostsee und gegenüber der livländischen Stadt Narwa – mit dem Ziel, die traditionellen Handelsrouten umzuleiten und die livländischen Hafenstädte Riga und Reval zu umgehen. Dennoch wollte der Zar den Partnerstaat vielmehr als einen ihm freundlich gesinnten Nachbarn haben, der zwischen seinem Machtbereich und dem Deutschen Reich stehen bzw. ihn mit diesem verbünden sollte.  

Die Anfangsphase des Livländischen Kriegeswar für das Zarentum Rus aus geopolitischer und militärischer Sicht triumphal. Nach der Einnahme der Festungen Narwa, Dorpatund Neuhausen, die den Zarentruppen zähen Widerstand geleistet hatten, gaben die meisten deutschen Festungen ohne Widerstand auf. Riga blieb jedoch unbesetzt. In den besiegten Städten blieb die gemeinwesentliche Selbstverwaltung bestehen, den Gläubigen wurde Religionsfreiheit gewährt und den Geschäftsleuten der steuerfreie Handel mit dem Zarentum versprochen. Der Zar ließ die Gelder für den Wiederaufbau von Narwa und Darlehen für die Grundbesitzer aus dem Staatsschatz ausgeben. Für den Winter 1558/1559 beschlossen die Zarenheerführer, die Mehrheit der Invasionsstreitkräfte auf frühere Stationierungspunkte, die sich auf dem Territorium des Zarentums befanden, abzuziehen. Nur kleine Besatzungen wurden in Livland belassen.

Diese Gelegenheit ergriff der neu gewählte Landmeister Livlands, Gotthard Kettler (*1517; †1587),dem der Deutsche Orden im Reich, die Deutsche Hanse und der neue Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Ferdinand I. (*1503; †1564) moralische Unterstützung versprochen hatten. Allerdings bekam Kettler realen militärischen Beistand vom katholischen Großfürstentum Litauen, das schon 1386 eine Union mit dem ebenso katholischen Polen eingegangen war. Am 31. August 1559 schloss Kettler mit dem Großfürsten von Litauen Sigismund II. August (*1520; †1572) ein Übereinkommen, dem entsprechend sich Süd- und Zentrallivlandmit Riga als Protektorat dem Großfürstentum Litauen unterstellten. Gleichzeitig wurde Nordlivland mit Reval durch die schwedischen Truppen besetzt. Die Insel Ösel wurde den Dänen für 30.000 Taler verkauft.

Kettler sammelte die Verstärkungstruppen und überfiel die kleinen vereinzelten Besatzungsgarnisonen des Zaren. Kettlers Streitkräfte nahmen keine Gefangenen; die Chroniken berichten, dass 1000 Zarenkrieger niedergemetzelt wurden.

Die Vergeltungsaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Kettlers Truppen wurden in der Schlacht bei Ermes (2. August 1560) entscheidend geschlagen. Am 5. März 1562 legte Gotthard Kettler die Insignien des Ordensmeisters ab und schwor dem polnischen König den Lehnseid. Livland wurde in polnische, dänische, schwedische und zaristische Besatzungs- bzw. Einflusszonen aufgeteilt. Von diesem Zeitpunkt an musste der Zar Krieg gegen die übermächtige Koalition des katholischen Polen-Litauens führen, mit dem die lutherischen Königreiche Schweden und Dänemark sich verbündeten. Dann entschied sich der Zar für eine andere Strategie und bemühte sich, Dänemark auf seine Seite zu bringen. Dafür gab es gute Voraussetzungen.

Der König von Dänemark und Norwegen, Christian III. (*1503; †1559), führte 1536 den lutherischen Glauben in seinem Königreich ein. Zuvor stieß er auf zähen Widerstand des katholisch dominierten Reichsrates und der katholischen Bischöfe, die er letztendlich verhaften ließ. Christian brauchte sowohl die Unterstützung des ebenso lutherischen preußischen Herzogs Albrecht bzw. der Königsberger Theologen in Glaubensfragen als auch die Neutralität Preußens in seinem Kampf gegen den Nebenbuhler Schweden um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Schon 1550 richtete Christian dem Zaren sein Anliegen aus, eine lutherische Mission im Zarentum zu betreiben. Dieses Angebot blieb letztendlich nicht ohne Folgen.

1570 ernannte Ioann IV. den dritten Sohn von Christian III., Magnus von Dänemark (*1540; †1583), zum König von Livland und Oberbefehlshaber der russischen Armee im Feldzug gegen die Schweden, die Nordlivland in Besitz genommen hatten. Das Königreich von Livland war ein Neugebilde, das aus Bruchteilen des Besitzes des zerschlagenen Livländischen Ordens zur Sicherung der unmittelbaren Kontakte zwischen dem Zarentum und dem Deutschen Reich ins Leben gerufen wurde. Der aufgestellte König bekam ein 25.000 Mann starkes Heer.

In demselben Jahr, 1570, fielen die Krimtataren ins Zarentum Rus ein. Im folgenden Jahr durchbrach das Tatarenheer die Stellungen an der Oka und brannte vom 24. bis zum 26. Mai 1571 Moskau fast vollständig nieder. Danach verlangte der Krimkhan Devlet I. Giray (*1512; †1577) die gehorsame Unterwerfung des Zarentums, das seit der Eroberung von Konstantinopel (29. Mai 1453) die Ostfront des christlichen Widerstandes gegen die türkischen Invasionen darstellte. Der Zar war bereit, nachzugeben und den größten Teil seiner Besitzungen dem Osmanischen Reich und dem Krimkhanat abzutreten. Seine Kapitulationsbereitschaft erschreckte die Deutschen. Die Gräuel der türkischen Feldzüge gegen das Abendland und der Belagerung von Wien (1529) waren ihnen noch frisch in der Erinnerung.

Gegen die Horde der Eroberer wurde nur die Armee von 20.000 Mann unter der Führung des herausragenden Heerführers Michail Iwanowitsch Worotynski (*1516; †1573) aufgestellt. Eine 7.000 Mann Armee livländischer Deutscher mit dem Feldherrn Jürgen von Fahrensbach (1551–1602), einem Vertrauten des Königs Magnus, eilte ihnen zu Hilfe.

In der Schlacht bei Molodi (Битва при Молодях), die sich zwischen dem 26. Juli und dem 2. August 1572 ereignete, zerschlug das verbündete christliche Heer (ca. 20.000 Mann), dank ihrer Militärkompetenzen, den zahlenmäßig fünffach überlegenen Gegner (ca. 125.000 Mann). Das war der Beginn des Niederganges des Krimkhanats.

Sowohl der Zar als auch der König von Livland waren bestrebt, ihr Bündnis auch durch Familienbande zu festigen. Am 12. April 1573 heiratete Magnus Marie Starizkaja (*1560; †1610), eine Nichte des Zaren.

Im Herbst 1575 trat Ioann IV. zurück und übertrug die Regierung an Sajin Bulat(*?; †1616), dem in Moskau ansässigen Khan von Kasimow, einem Enkel Achmads (?; †1481), des letzten Khans der Goldenen Horde. Ein Jahr zuvor hatte er als Oberbefehlshaber der russischen Armee in Nordlivland vergeblich versucht, den Hafen Pernau zu erobern, der seit 1561 in schwedischem Besitz war. Der abgedankte Zar zog sich unter dem neuen Namen Fürst Iwan Mosckowskij für über ein Jahr aus dem Kreml zurück, übernahm aber Ende 1576 erneut die Macht.  

Die infolge der Zarenabdankung unsichere politische Situation veranlasste König Magnus, seine eigene Politik in Bezug auf die Nachbarn zu verfolgen. Er nahm Verhandlungen mit dem König von Polen Stephan Báthory (*1533; †1586) auf und fiel dadurch in Ungnade beim Zaren. 1578 flüchtete er mit seiner Frau nach Riga, das von den Polen kontrolliert wurde.     

Damit endete das kurzfristige Bestehen des Königreichs Livland und im weiteren Sinne das des föderativen Staates ‚Khanat Kasan – Zarentum Rus – Königreich Livland‘, in dem die Deutschen Baltikums eine weitgehende religiöse, administrative und wirtschaftliche Autonomie genossen. Das war die 2. Autonomie der Deutschen innerhalb der Rus, die nicht auf dem leeren Boden gegründet worden war. Der Vertrag von 1229 legte den gewohnheitsrechtlichen Grundstein zu dieser Autonomie, die ihren Fortbestand in autonomen Vorstädten (Possad / посад) der Deutschen wiederfand.


Ein neuer Anfang der Deutschen im Zarentum

Die Kampfführungsstrategie im Osten des Zarentums war auf die fachliche Unterstützung begabter Deutscher angewiesen, um die befestigten Stützpunkte an der Süd- und Ostgrenze zu bevölkern. Den aus den Chroniken abgeleiteten Einschätzungen des Autors nach, betraf die Umsiedlungspolitik Ioanns IV. im Verlauf des Livländischen Krieges Zehntausende von Deutschen und Ostbalten. 1588 dienten allein in der mittelgroßen befestigten Ansiedlung Dedilowo an der Südgrenze des Zarentums (ca. 200 Kilometer südöstlich von Moskau) 82 „ausländische Krieger“, so die Chronik10.

Kennzeichnend ist in diesem Zusammenhang das abenteuerliche Leben von Johann Wilhelm von Fürstenberg (*1500; †1568), des vorletzten Landmeisters des Deutschen Ordens in Livland. Fürstenberg wurde im westfälischen Neheim, das heutzutage ein Arnsberger Ortsteil ist, geboren. Als Sechzehnjähriger trat er in den Deutschen Orden ein, wo er in der Versorgungseinrichtung für nachgeborene Söhne des westfälischen Adels ausgebildet wurde. Wilhelm folgte dem Vorbild zahlreicher Mitglieder der Familie von Fürstenberg. Wie diese begab er sich nach Livland, wo er im Laufe der Zeit wichtige Positionen erreichte. Am 20. Mai 1557 übernahm Fürstenberg als Landmeister die Führung der Angelegenheiten des Deutschen Ordens in Livland, dessen Armee zu diesem Zeitpunkt sehr schwach war und vor allem aus Söldnern bestand. Am 14. September 1557 schloss er ein Bündnis mit dem König von Polen, Sigismund August,der auch gleichzeitig der Großfürst von Litauen war. Diese neue Koalition richtete sich gegen das Zarentum Rus. Das Vermächtnisvon Wolter von Plettenberg (*um 1450; †1535), der den Frieden mit Russland befürwortete, wurde der Vergessenheit preisgegeben.

Nach einer Reihe von militärischen Niederlagen wurde Fürstenberg 1559 des Landmeistersamtes enthoben und Gotthard Kettlerals sein Nachfolger bestätigt. Allerdings behielt Johann Wilhelm von Fürstenberg wichtige Ämter im Ordensstaat, verwaltete weitläufige Gebiete und war im April 1560 derOberbefehlshaber der Ordensburg Fellin, die als die größte im Baltikum galt. Die verheerende Niederlage der Söldner des Deutschen Ordens in der Schlacht bei Ermes (2. August 1560) trieb auch den Fall des belagerten Fellin voran. Fürstenberg wurde mit seinen Truppen gefangen genommen und in die östliche Grenzstadt Jaroslawl(280 Kilometer nordöstlich von Moskau) fortgeschafft, die den wichtigen Wolga-Handelsweg sicherte. Später schrieb Fürstenberg aus Jaroslawl seinen Verwandten, er habe keine Gründe, mit dem Schicksal zu hadern. Er fühlte sich in seinem neuen Zustand offenbar nicht eingeschränkt und wurde in Moskau bei Zarenaudienzen gesehen. Sein Schicksal war typisch für das vieler ehemaliger Angehörigen des Deutschen Ordens, die in Zarendiensten angestellt waren. Ein wichtiger Faktor, der die bewusste Pflichterfüllung seitens der „ausländischen Krieger“ veranlasste: sowohl das Zarentum als auch das christlich geprägte Europa führten zu jener Zeit die erschöpfenden Türkenkriege gegen das Osmanische Reich und seine Verbündeten. Die an den Grenzen zum türkischen Feind beheimateten Ordensmitglieder verteidigten also eigentlich die europäische Souveränität auf den fernen Vorfeldern des Abendlands.

Das tragische Fazit des 16. Jahrhunderts war die humanitäre Katastrophe des Ostbaltikums. Die deutsche Bevölkerung wurde zwischen dem Herzogtum Preußen, dem Herzogtum Kurland und Semgallen (seit 1561), die unter polnischer Hoheit standen, und den durch Schweden besetzten Territorien im Nordostbaltikum zerrissen. Einige ostbaltische Inseln gehörten Dänemark. Mehrere Zehntausend gefangen genommenen Deutsche Livlands wurden an den Süd- und Ostgrenzen des Zarentums – an der Verhaulinie (засеки [zaseki]) – angesiedelt. 

Karte der Verhaulinie des Moskauer Staates im 17. Jahrhundert 11

Die Gräuel der Bartholomäusnacht (24. August 1572), die die französischen Katholiken an den protestantischen Hugenottenbegingen, versetzten für Jahrhunderte die europäischen Protestanten in Schrecken und Misstrauen. Die beiderseitige Abneigung zwischen Katholiken und Protestanten war zur gesellschaftlichen Norm geworden.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schien es für viele ehemalige ostbaltische Mitglieder und Untertanen des Deutschen Ordens nur zwei Möglichkeiten zu geben: entweder sich irgendwie der drastisch geänderten geistlichen Umgebung anzupassen oder auszuwandern. Das Damoklesschwert der katholischen Rache blieb über den Köpfen der Lutheraner unter der polnischen Hoheit hängen, die lutherischen Kirchenrituale durften in den schwedischen bzw. dänischen Besatzungszonen Livlands nur in den nationalen Sprachen der Besatzungsmächte ausgeübt werden.

Der lutherische Glaube war im Zarentum Rus geduldet und in vielen Aspekten konnten die Protestanten und die christlichen Andersgläubigen, wie z. B. die Anhänger der Lehre von Andreas Osiander (*1496; †1552) oder Antitrinitarier, sich wesentlich ungehinderter in Ost- als in Westeuropa oder im Ostbaltikum fühlen. Der Militärdienst im Zarentum bot ihnen auch eine lukrative Perspektive. Den Offizieren und einfachen Verhauliniekriegern wurde guter Sold vom Zarenschatz entrichtet. Für zuverlässige Dienste wurden ihnen Bodenanteile mit Leibeigenen in der fruchtbaren Schwarzerde-Zone Osteuropas zugeteilt, die von dem Osmanischen Reiche erobert worden war.

Eine Gruppe von Deutschen aus Livland ließ sich in der Moskauer Vorstadt an den Ufern der Jausa, dem linken Nebenfluss der Moskwa, nieder. 1560 wurde dort die Lutherische Gemeinde gegründet, der der Sohn des friesischen Theologen Brictius thon Norde (*um 1490; †1557) vorstand. 1601 wurde auf Anordnung des Zaren Boris Fjodorowitsch Godunow (*1552; †1605) die lutherische Steinkirche in Moskau gebaut. Die deutsche Vorstadt von Moskau setzte die gewohnheitsrechtliche religiöse, kulturelle, wirtschaftliche und teilweise territoriale (wenn auch in kleinerem Maßstab) Autonomie der Deutschen in der Rus fort.  

Dorniger Weg zur Imperiumsgründung

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zählten die osteuropäischen Chroniken 43 Einfälle der Krimtataren. Der Sultan des Osmanischen Reiches Selim II. (*1524; †1574) plante selbst die Eroberung des Zarentums Rus und forderte aus diesem Grund die erneute Unterstützung des Krimkhanats. Polen und Litauen verbündeten sich mit dem Sultan.

1606 endete der Lange Türkenkrieg (1593–1606). Eine einmalige Zahlung von 200.000 Gulden beendete den bis dahin jährlich den Türken zu zahlenden Tribut der Deutschen. Der Sultan musste den deutschen Imperator erstmals als gleichberechtigten Verhandlungspartner anerkennen. Dennoch schalteten sich schon ein Jahr zuvor die Verbündeten der Türken – die Polen – als vermeintlicher Garant der Erbrechte der Rurikiden in den innerpolitischen Streit des Zarentums Rus ein. 1605 okkupierten die Polen Moskau und setzten ihren Schützling Pseudodimitri I. (*?; †1606) auf den Zarenthron. Als dieser 1606 vom aufständischen Volk ermordet worden war, ließen die Polen ihren zweiten Protegé, den zweiten falschen Dimitri (*?; †1610), zum Zaren krönen. 

1607, zum ersten Mal seit der Niederlage auf dem Schlachtfeld bei Molodi (1572), durchbrachen die Krimtataren die Verteidigungsstellungen an der Oka und verwüsteten die Gebiete, die ihrem Verbündeten, dem polnischen König, die Eidesleistung verweigerten. Die Bojaren und das Volk riefen ihre Nachbarn – die livländischen deutschen Ritter – um Hilfe an. Ein Teil der Ritter unterstellte sich nach dem Livländischen Krieg (1558–1583) der schwedischen Krone, sodass sie für ein solches Unternehmen der Einwilligung des schwedischen Königs bedurften. Der Titularkönig von Schweden, Sigismund III. Wasa (1566; †1632), der von 1587 bis 1592 auch das gewählte Staatsoberhaupt von Polen-Litauen war, stimmte unter bestimmten Vorbedingungen zu. Der in Reval geborene Graf Jakob Pontusson De La Gardie von Läckö (*1583; †1652) war an die Spitze des Heeres gesetzt, das die Polen bei ihrem Vormarsch aufhalten sollte.

Zusammen mit dem Zarenheer, das Michail Wassiljewitsch Skopin-Schuiski (1586; †1610) führte, schlugen die Deutschen die Polen bei Twer und befreiten das Kloster der Dreifaltigkeit und des Heiligen Sergius im heutigen Sergijew Possad. Am 10. März 1610 marschierten die Alliierten feierlich in Moskau ein, wo sie von der Bevölkerung mit Brot-und-Salz-Gabe12 begeistert bejubelt wurden. Am 18. März gab der zurückgekehrte Zar Wassili IV. Iwanowitsch Schuiski (1552; †1612) in der von den Polen befreiten Hauptstadt ein fürstliches Festmahl zu Ehren von De La Gardie und seinen deutschen Rittern …

 Im Winter 1656/57 fielen die Lipka-Tataren und Krimtataren in das Livland benachbarte Herzogtum Preußen ein. Der verwüstende Raubzug erfolgte, nachdem sich Polen 1654 mit dem Krimkhanat verbündet hatte. Die Tataren töteten bis zu 23.000 Menschen und verschleppten 34.000 Einwohner Preußens in die Sklaverei. Den Chroniken zufolge verhungerten oder erfroren bis zu 80.000 Menschen in den verwüsteten Landstrichen.   

Allerdings war Ende des 17. Jahrhunderts auch für die Polen die Gefahr, von den Türken erobert zu werden, zur realen Bedrohung geworden und das deutsch-polnische Entsatzheer unter der Führung des polnischen Königs Johann III. Sobieski (*1629; †1696) rettete die vom 14. Juli bis 12. September 1683 belagerte Hauptstadt des Deutschen Imperiums – Wien – in der Schlacht am Kahlenberg (12. September 1683). Der Versuch des Osmanischen Reiches, Wien zu erobern und das Tor nach Zentral- bzw. Westeuropa aufzustoßen, war gescheitert. Dennoch dauerte der Große Türkenkrieg noch fast anderthalb Jahrzehnte. Im Frieden von Karlowitz (26. Januar 1699) musste sich das Osmanische Reich erstmals von den christlichen Mächten (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, Polen-Litauen, Republik Venedig, Kirchenstaat sowie Zarentum Rus) Friedensbedingungen diktieren lassen.

Inzwischen verschlechterte sich die Lage der Deutschen, Esten und Letten in Livland. Das 1561 entstandene Herzogtum Kurland und Semgallen stand unter der Suzeränität Polen-Litauens. Zwar erreichte Kurland unter Herzog Jakob Kettler (*1610; †1682) eine wirtschaftliche Blüte, verfügte über eine der größten europäischen Handelsflotten und besorgte sich sogar die Kolonien Tobago (Neukurland) und James Island am Gambia-Fluss in Afrika. Doch seine wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften wurden 1655 durch den Einfall der Schweden zunichtegemacht.

Der Vertrag von Oliva (3. Mai 1660) verbriefte die schwedische Oberhoheit über Livland und Riga. Die schwedische Krone ergriff diese Gelegenheit, um eine umfassende Enteignungskampagne, die man „Reduktion“ nannte, in Livland durchzuführen. Der schwedische König Karl XI. (*1655; †1697) ordnete an, die Bodenanteile der Deutschen für den Fiskus einzuziehen. Und gleichzeitig wurde auf grausame Weise versucht, den ehemaligen Grundbesitzern ihr beschlagnahmtes Eigentum zu verpachten, „um weitere Geldmittel flüssig zu machen“, und „die deutsche durch die schwedische Verwaltungssprache zu ersetzen“ 13.

Dem Kampf gegen die schwedischen Okkupanten stand Johann Reinhold von Patkul (*1660; †1707) vor. 1694 musste er ins Exil gehen, nachdem das Todesurteil über ihn verhängt und seine livländischen Güter beschlagnahmt worden waren. Am 1. November 1698 trat er in den Dienst Augusts des Starken (*1670; †1733) und erreichte, dass 1699 mit Dänemark und Russland ein gegen Schweden gerichtetes Bündnis geschlossen wurde. Darum sehen manche Geschichtsschreiber in Patkul den Initiator des Großen Nordischen Krieges(1700–1721). 1701 ging er in den Dienst des russischen Zaren Peter I. (*1672; †1725) und wurde 1703 dessen Gesandter am sächsisch-polnischen Hof. Doch als August der Starke einen Separatfrieden mit Schweden anstrebte, wirkte er diesem entgegen, woraufhin er am 19. Dezember 1705 inhaftiert wurde. Am 7. April 1707 wurde er an den Schwedenkönig Karl XII. (*1682; †1718) ausgeliefert. Dieser ließ ihn als Landesverräter rädern und vierteilen.    

Der Anfang des Großen Nordischen Krieges nahm für Russland eine katastrophale Wendung. In der Schlacht bei Narva (20. November 1700) schlug der noch junge schwedische König Karl XII. die zahlenmäßig weit überlegene Zarenarmee vernichtend. Die schwere taktische Niederlage des Zarenheers bei Narva barg zugleich den Samen des späteren Erfolgs. Peter I. lernte aus seinem Misserfolg. Er forcierte die Schwerindustrie zur Herstellung des damals modernsten Kriegsgerätes. Mithilfe deutscher Fachleute reformierte und vergrößerte der Zar die veraltete Armee bis 1705 auf 200.000 Soldaten und machte sie den modernen Armeen Europas ebenbürtig. In der Schlacht bei Poltawa (8. Juli 1709) wurde die schwedische Hauptarmee völlig vernichtet und Karl XII. floh zu den Türken, bei denen er sich fünf Jahre aufhielt.

Im Herbst 1709 belagerten russische Truppen Riga und am 15. Juli 1710 kapitulierte seine schwedische Garnison.

Die 3. Autonomie der Deutschen in der Rus

Am 4. Juli 1710 schloss Generalfeldmarschall der russischen Armee  Boris Petrowitsch Scheremetew (*1652; †1719) mit der Stadt Riga und mit der Livländischen Ritterschaft die sogenannten Kapitulationen, welche die Sonderstellung Livlands und Rigas im Zarentum Rus festlegte.  Am 14. Juli 1710 huldigten die Livländische Ritterschaft und der Ständerat von Riga dem Zaren Peter I. Am 29. September 1710 wurden ähnliche Vereinbarungen in der Kapitulation mit der Stadt Reval und mit der Estländischen Ritterschaft geschlossen. General der Kavallerie Christian Felix Bauer (*1667; †1717) unterschrieb diese Kapitulation von russischer Seite. 

Dem Herzogtum Estland und dem Herzogtum Livland wurden ihre Privilegien verliehen, die sie unter der schwedischen Krone vor der Reduktion besessen hatten. Zar Peter I. bestätigte die vereinbarten Bedingungen als immerwährend. Gemäß den Privilegien, hatte die livländische Selbstverwaltung (Autonomie) die Angelegenheiten der Rechtsprechung, Kirche, Schule, Wohlfahrt, Post, Gemeinde- bzw. Stadtverwaltung inne.

Die Rechte der von den Deutschen verwalteten Autonomie wurden im § 9 des Friedens von Nystad nochmals bestätigt:

„Seine Czarische Majest. versprechen daneben/ daß die sämtliche Einwohner der Provintzien Lieff- und Estland/ wie auch Oesel/ Adeliche oder Unadeliche/ und die in selbigen Provintzien befindliche Städte/ Magistraten/ Gilden und Zünffte bey ihren unter der Schwedischen Regierung gehabten Privilegien, Gewohnheiten/ Rechten und Gerechtigkeiten bestäntig und ohnverrückt conserviret/ gehandhabet und geschützet werden sollen.“14

Somit erhielt die 3. Autonomie der Deutschen in der Rus auch die gesetzlich verbriefte internationale Anerkennung.

Die von den Deutschen verwaltete Autonomie wurde zunächst in zwei Bestandteile gegliedert: das Rigaer Gouvernement (Рижская губерния) und Reval Gouvernement  (Ревельская губерния), ab 1795 gab es schon drei territorial-administrative Gliederungen: Kurländisches Gouvernement (Курляндская губерния), Livländisches Gouvernement (Лифляндская губерния), Esthländisches Gouvernement (Эстляндская губерния).

Neben der allgemeinen Verwaltung eines Gouvernements, Kronbehörden genannt, bestanden auch die Landesbehörden, welche die Selbstverwaltung in Livland verkörperten. Während die Kronbehörden samt dem Gouverneur oder Statthalter den zentralen russischen Behörden und Ministerien unterstanden, waren die Landesbehörden unabhängig von Weisungen der zentralen Staatsmacht. Laut den Kapitulationen war die lutherische Konfession ausdrücklich als herrschende Landeskirche anerkannt worden.

In allen Behörden und Institutionen war die deutsche Geschäftssprache beibehalten oder eingeführt worden. Sowohl in den Kreisschulen als auch in den Gymnasien Deutsch war die Unterrichtssprache.

Mit den  Ostseegouvernements wurden zum ersten Mal Gebiete in das Russische Imperium eingegliedert, die nicht nur, wie etwa Nowgorod, unter starkem europäischen Kultureinfluss gestanden hatten, sondern die in ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Struktur, im Niveau ihrer geistigen und materiellen Kultur, in ihrer geschichtlichen Entwicklung und damit in ihren Werttraditionen echtes Abendland waren. Estland, Livland und Kurland wurden deswegen auch als die „deutschen“ Ostseeprovinzen Russlands bezeichnet.

Die Deutschen der Ostseegouvernements dienten daher fortan dem „Imperator und Selbstherrscher aller Reußen“, wie sie bisher der Krone Schwedens gedient hatten, als, wobei sich ihnen neue und ungeahnte Möglichkeiten eröffneten. Der deutsch-baltische Adel spielte eine bedeutende Rolle in der Geschichte Russlands. Aus seinen Reihen kamen zahlreiche Minister, Politiker, Generäle und Admiräle. Die deutschsprachige Universität in Dorpat hatte besonders im 19. Jahrhundert einen festen Platz im deutschen Kulturleben. Die Deutsch-Balten stellten den Adel und den Großteil des Bürgertums und bis weit ins 19. Jahrhundert die Mehrzahl der Stadtbewohner.

Während zur gleichen Zeit in den nordostdeutschen Territorien Preußens der absolute Fürstenstaat über die Stände triumphierte, vermochten die Ritterschaften und Stadtobrigkeiten der baltischen Provinzen ihre deutschrechtliche politische Eigenständigkeit zu bewahren.

Dieser Umstand hat zweifellos dazu beigetragen, dass die Deutschen Livlands, Estlands und Kurlands bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen ausbildeten, durch die sich von Angehörigen der gleichen sozialen Schichten in Preußen unterschieden. Dort entwickelte sich ein primär staatsbezogener, d. h. vom Staatsethos geprägter Menschentypus, während der deutsche Balte primär gesellschaftsbezogen war.

Allerdings, durch den Regierungsantritt der Thronusurpatorin Katharina II wurden die Beziehungen zwischen Sankt Petersburg und den baltischen Provinzen ihrer bisherigen Stabilität beraubt. Zunächst bestätigte sie die Privilegien von 1710. Jedoch 1764 erfolgte in der Frage der Autonomie der Provinzen ein Umdenken der Thronusurpatorin. Die Stärkung des russischen Absolutismus und der Gedanke, das Imperium als ein Ganzes zu sehen, setzten die baltische Autonomie stark unter Druck.
Auch die Zeit zwischen 1860 und 1905 sowie von 1910 bis 1917 war durch eine verstärkte bis radikale Russifizierungspolitik geprägt, welche die Privilegien der deutschen Ritterschaft immer mehr einengte.

Aus der Abwehrhaltung gegenüber möglichen Eingriffen des andersnationalen Staates in die gesellschaftliche Sphäre bildeten die baltischen Deutschen Kräfte der nationalen Selbsthilfe aus und wiesen der Gesellschaft Funktionen zu, die anderswo staatlichen Organen zukamen.

Bis 1918 verfügten die Deutschen des Ostseegouvernements über eine beträchtliche Autonomie und behielten bis zum Ende ihrer Existenz ein unabhängiges Rechtssystem.


Die „Sowjetdeutschen“

Die am 19. Oktober 1918 gegründete Arbeitskommune der Wolgadeutschen (ab 6. Januar 1924 – die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen) innerhalb der Teilrepublik der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken war die Umsetzung des gewohnheitsrechtlichen autonomen Status der Deutschen unter den neuen sozial-politischen Umständen. 

Der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter (*1889; †1953), wurde 1918 vom zukünftigen sowjetischen Diktator Josef Stalin (*1878; †1953), damals Volkskommissar für Nationalitätenfragen, mit der Führung des provisorischen Kommissariats für die Wolgadeutschen betraut.

Die ASSR der Wolgadeutschen war eine der ersten autonomen Republiken mit vollständiger Alphabetisierung in der UdSSR: In dieser Teilrepublik gab es 171 nationale Sekundarschulen, 11 technische Schulen, 3 Arbeiterfakultäten, 5 Universitäten. Hinzu kamen 172 Kolchosen- Kulturhäuser, das Deutsche Nationaltheater und das Kindertheater. 21 Zeitungen erschienen in deutscher Sprache.

Mit Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges am 22. Juni 1941 gab es zunächst keine grundsätzlichen Veränderungen. Die Führung der Wolgadeutschen Republik verurteilte den Angriffskrieg des Deutschen Reiches. Am 13 Juli 1941 wandte sich der Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets Konrad Hoffmann (* 1894; † 1977) an das deutsche Volk:

Soldaten, Arbeiter, Bauer, Intelligenten Deutschlands! Vergießt nicht euer Blut für die räuberischen Ziele Hitlers! Wendet eure Waffen gegen euren Todfeind Hitler und seine blutdürstige Bande der Gewalttäter. Nur nach der Vernichtung Hitlers und seiner Meute könnt ihr ein freies und glückliches Leben haben. Nieder mit dem blutigen Faschismus! Steht auf zum Kampf für das freie Deutschland!15

Am nächsten Tag veröffentlichte seinen Aufruf der Ministerpräsident der Wolgadeutschen Republik Alexander Heckmann (* 1908; † 1994):

„Das Leben der Wolgadeutschen im Lande der Sowjets ist frei, glücklich und wohlhabend. Das Leben der Werktätigen Deutschlands unter der Herrschaft der faschistischen Bande ist ein restloser Albtraum, voller Leiden, unerhörter Unterdrückung und Entbehrung. Wendet eure Bajonette gegen die faschistischen Kannibalen, helft den Völkern, die Aggressoren dem Erdboden gleichzumachen, die Völker von den Greueln, Armut und Leiden befreien, in die sie die deutschen Faschisten versetzt haben.“16

Deportation und Entrechtung der Deutschen in der Sowjetunion

Am 18. Juli 1941, noch vor Eintreffen der deutschen Wehrmachtsverbände, ließ der sowjetische Diktator Josef Stalin aus Furcht vor einer Kollaboration mit dem Feind fast 53.000 Russlanddeutsche von der Krim „auf ewige Zeiten“ vertreiben. In aller Eile mussten sie das Nötigste zusammenpacken und wurden, zusammengepfercht in Viehwaggons, hauptsächlich nach Kasachstan transportiert. Viele starben schon an den Strapazen der monatelangen Todesfahrten bzw. -Märsche.

Am 28. August 1941 wurde der Erlass des Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Umsiedlung der Deutschen, die in den Volga-Rayons leben“ verabschiedet:

„Entsprechend glaubwürdigen Nachrichten. die die Militärbehörden erhalten haben, befinden sich unter der in den Volga-Rayons lebenden deutschen Bevölkerung Tausende und Zehntausende von Diversanten und Spionen, die nach einem aus Deutschland gegebenen Signal in den von den Wolgadeutschen besiedelten Rayons Sprenganschläge verüben sollen.
Über die Anwesenheit einer so großen Zahl von Diversanten und Spionen unter den Wolgadeutschen hat den Sowjetbehörden keiner der in den Volga-Rayons ansässigen Deutschen gemeldet, folglich verbirgt die deutsche Bevölkerung der Volga-Rayons in ihrer Mitte Feinde des Sowjetvolkes und der Sowjetmacht.
Im Falle von Diversionsakten, die auf Weisung aus Deutschland durch deutsche Diversanten und Spione in der Republik ausgeführt werden sollen, und im Falle, daß es zum Blutvergießen kommen wird, wird die Sowjetregierung entsprechend den zur Kriegszeit geltenden Gesetzen gezwungen sein, Strafmaßnahmen zu ergreifen.
Um aber unerwünschte Ereignisse dieser Art zu vermeiden und ernsthaftes Blutvergießen zu verhindern, hat das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR es für notwendig befunden, die gesamte deutsche Bevölkerung, die in den Volga-Rayons ansässig ist, in andere Rayons umzusiedeln, und zwar derart, daß den Umzusiedelnden Land zugeteilt und bei der Einrichtung in den neuen Rayons staatliche Unterstützung gewährt werden soll.
Für die Ansiedlung sind die an Ackerland reichen Rayons der Gebiete Novosibirsk und Omsk, der Region Altaj, Kazachstans und weitere benachbarte Gegenden zugewiesen worden.
Im Zusammenhang damit ist das Staatliche Verteidigungskomitee angewiesen worden, die Umsiedlung aller Wolgadeutschen und die Zuweisung von Grundstücken und Nutzland an die umzusiedelnden Wolgadeutschen in den neuen Rayons unverzüglich in Angriff zu nehmen.

Der Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR gez. M. Kalinin
Der Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR gez. A. Gorkin
Moskau Kreml, 28. August 1941“
17

Am 30. August 1941 wurde der Erlass in der wolgadeutschen Zeitung „Nachrichten“ veröffentlicht, mit einer bedeutsamen Korrektur. Der Satzteil „Strafmaßnahmen zu ergreifen“ (im Originaltext fett markiert) wurde durch den Wortlaut „Strafmaßnahmen gegenüber der gesamten deutschen Bevölkerung zu ergreifen.18 ersetzt.

Nach der Veröffentlichung dieses Erlasses wurden alle Russlanddeutschen aus den europäischen Teilen der Sowjetunion nach Osten – vorwiegend Sibirien, Kasachstan und an den Ural deportiert. Vor dem Anfang der Deportation organisierte die sowjetische Geheimpolizei – das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) mehrere Provokationen, um die deutsche Bevölkerung der Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht zu bezichtigen: in SS-Uniformen eingekleidete sowjetische Truppen nachahmten die deutsche Vorhut, die für den „Fall des Hitler-Besuchs“ Flaggen mit Hakenkreuz verteilten. Die Bewohner, in deren Häuser diese Flaggen gefunden wurden, wurden umgebracht und einige deutsche Dörfer wurden vernichtet.

Das Territorium der Wolgadeutschen Republik ging mit der Auflösung 1941 zu gut zwei Dritteln an die Oblast Saratow, der Rest an die Oblast Stalingrad (seit 1961 Oblast Wolgograd).

Die KZs „Arbeitsarmee“

Der Begriff “Arbeitsarmee” taucht weder in offiziellen Dokumenten der Kriegsjahre noch im offiziellen Schriftverkehr auch nicht in Berichten staatlicher und wirtschaftlicher Körperschaften auf. Die Russlanddeutschen, die von Militärkommissariaten mobilisiert und aufgefordert wurden, Zwangsarbeit zu verrichten, begannen, in Bezug auf „Rotarmisten“ sich „Arbeitsarmisten“ zu nennen, um ihren sozialen Status, der von den offiziellen Behörden auf das Niveau von Straftäter herabgestuft wurde, zu erhöhen.

Der Beginn des Prozesses der Schaffung von Arbeitslager für Russlanddeutsche wurde durch den geheimen Beschluss des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Allunions-Partei (Bolschewiki) vom 31. August 1941 „Über Deutsche, die auf dem Gebiet der Ukrainischen SSR leben“ gelegt. Auf seiner Grundlage fand in der Ukraine die Mobilisierung deutscher Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren statt. Aufgrund des raschen Vormarsches der deutschen Truppen wurde dieses Dekret weitgehend nicht umgesetzt, es war jedoch immer noch möglich, 13 „Baubataillone“ mit einer Gesamtzahl von 18600 Personen zu bilden.

Gleichzeitig beginnt ab September der Rückruf von Soldaten deutscher Nationalität aus der Roten Armee, aus denen auch „Baubataillone“ gebildet werden. Alle diese „Bauarbeiter“ werden in 4 NKWD19-Einrichtungen eingekerkert: IwdelLag20, Solikambumstroy21, KimpersayLag22 und BogoslowLag23. Bis Ende 1941 wurden mehr als 800.000 Sowjetdeutsche aus dem europäischen Teil der UdSSR nach Sibirien und Kasachstan umgesiedelt.

Am 10. Januar 1942 erließ das Staatliche Verteidigungskomitees der UdSSR den streng geheimen Beschluss Nr. GKO 1123 ss „Über die Richtlinien für den Einsatz der deutschen Umsiedler im wehrpflichtigen Alter von 17 bis 50 Jahren“:

Streng geheim24
STAATSKOMMITEE FÜR VERTEIDIGUNG VERORDNUNG Nr.: ГКО-1123cc
10. Januar 1942
Moskau, Kreml

Über das Verfahren für den Einsatz deutscher Übersiedler im wehrdienstpflichtigen Alter von 17 bis 50 Jahren.

Zum Zweck der rationellen Ausnutzung der deutschen Männer-Übersiedler im Alter von 17 bis 50 Jahren wird vom Staatskomitee für Verteidigung verordnet:

1. Alle deutschen Männer im Alter von 17 bis 50 Jahren, die zur körperlichen Arbeit fähig sind und in die Gebiete Nowosibirsk und Omsk, die Regionen Krasnojarsk und Altai sowie in die Kasachische SSR vertrieben wurden, müssen in Höhe von bis zu 120.000 in Arbeitskolonnen für die gesamte Dauer des Krieges mobilisiert werden, wobei von dieser Zahl übertragen wird:

a) NKWD der UdSSR – 45.000 Menschen für Holzeinschläge. 

    -“- – für den Bau der Fertigungsanlagen in Bakal25 und Bogoslowsk26 – 35.000 Menschen.

b) Volkskommissariat für Kommunikationswege der UdSSR – für den Bau der Eisenbahnen Stalinsk27 – Abakan28, Stalinsk–Barnaul29, Akmolinsk30 – Kartaly31, Akmolinsk–Pawlodar32, Soswa33–Alapaewsk34, Orsk35– Kandyagasch36, Magnitogorsk37 – Sara38 – 40.000 Menschen.

Die Mobilisierung muss dem Volkskomitee für Verteidigung (Genosse Schtschadenko),39 zusammen mit dem NKWD und dem Volkskommissariat für Kommunikationswege, anvertraut werden. Die Mobilisierung muss ab sofort angefangen und bis zum 30. Januar 1942 beendet werden.  

2. Alle mobilisierten Deutschen müssen verpflichtet werden, in brauchbarer Winterkleidung mit einem Vorrat an Wäsche, Bettzeug, einem Becher, einem Löffel und einem zehntägigen Vorrat an Lebensmitteln an den Sammelstellen des Volkskommissariats für Verteidigung erscheinen.

3. Das Volkskommissariat für Kommunikationswege und die Abteilung für militärische Kommunikation des Volkskomitees für Verteidigung zu verpflichten, den Transport für die Beförderung der mobilisierten Deutschen während des Monats Januar, spätestens bis zum 10. Februar sicherzustellen.

4. Das NKWD der UdSSR und das Volkskommissariat für Kommunikationswege der UdSSR zu verpflichten, in den Arbeitskolonnen und Abteilungen der mobilisierten Deutschen eine bedingungslose Ordnung und Disziplin herzustellen, die eine hohe Arbeitsproduktivität und die Erfüllung der Produktionsnormen gewährleisten.

5. Dem NKWD der UdSSR anzuvertrauen, die Verfahren gegen die mobilisierten Deutschen, die nicht zu Entsendungssammelstellen erschienen sind, sowie gegen diejenigen in Arbeitskolonnen, die Disziplin verletzen und Arbeit verweigern, die von der Mobilisierung ausbleiben, von Arbeitskolonnen desertieren, die Anwendung der Todesstrafe gegen die Böswilligsten auf der Sonderkonferenz des NKWD der UdSSR zu prüfen.

6. Die Normen für die Nahrungsmittel- und Industriewarenversorgung der mobilisierten Deutschen müssen gemäß den vom GULAG40 des NKWD der UdSSR bestimmten Standards festgelegt werden.

Das Volkskommissariat für Handel der UdSSR zu verpflichten, dem NKWD der UdSSR und dem Volkskommissariat für Kommunikationswege der UdSSR für die gesamte Zahl der mobilisierten deutschen Nahrungsmittel- und Industriewarenfonds in Übereinstimmung mit diesen Normen in vollem Umfang zuzuweisen.

7. Das Volkskommissariat für Landwirtschaft der UdSSR muss im Januar-Februar dem NKWD der UdSSR 3.500 Pferde für die Holzproduktion zur Verfügung stellen.

Das Volkskommissariat der UdSSR für Aufbringung von Mitteln muss zusätzlich Futtermittel für 3.500 Pferde bereitstellen.

8. Das Volkskommissariat für Finanzen der UdSSR stellt zusammen mit dem NKWD der UdSSR im Finanzplan des NKWD der UdSSR die notwendigen Mittel zur Verfügung, um die Beförderung der Deutschen und andere Ausgaben für ihre wirtschaftliche Niederlassung zu bezahlen.

VORSITZENDER DES STAATSKOMMITEES FÜR VERTEIDIGUNG J. STALIN

Die 749 950 „Sowjetdeutschen“, wegen der unbegründeten pauschalen Beschuldigung – sie würden wie Verräter mit Hitler-Deutschland kollaborieren – wurden zum zweiten Mal bestraft. Es waren kaum vier Monate vergangen, als sie enteignet, verschleppt und unter hundert anderen Völkern zerstreut worden waren. Sie waren alle derzeit noch ohne Obdach, Winterkleidung und andere Habseligkeiten. Sie mussten aber ihre Familien in diesem jämmerlichen Zustand verlassen.
Nach Punkt 2 wurden sie, wie alle Sowjetbürger, durch die Wehrkommandos einberufen, doch dann nicht den Verteidigungskräften, sondern in Arbeitskolonnen/Arbeitslagern dem NKWD zugewiesen.

Nach Punkt 5 wurden die Sowjetdeutschen völlig dem NKWD ausgeliefert. Diese bekamen

das Recht, die „Arbeitsarmisten“ ohne Gericht, nur von einer NKWD-Troika (drei Personen), zum Tode zu verurteilen.

Der Punkt 6 lieferte die mobilisierten Deutschen ohne Gericht, ohne Beschuldigung, eine Straftat begangen zu haben, unmittelbar der Strafgewalt des NKWD (in der Verordnung – GULAG).

Bald erschien die Verordnung Nr.: 1281cc. vom 14 Februar 1942 des Staatskomitees für Verteidigung. Mit diesem Erlass wurden alle deutschen Männer, das heißt auch diejenigen, die nicht übersiedelt worden waren, von der Mobilisation erfasst. Das bedeutete, dass sie auf dieselbe Stufe wie die zwangsmäßig Übersiedelten gestellt wurden. Sie sollten wie die Wolgadeutschen die Mitverantwortung für den nicht begangenen Verrat tragen und wurden auch in die GULAGs gesteckt.

Am 7. Oktober 1942 folgte der grausamste Akt gegenüber der deutschen Minderheit in der Sowjetunion:

Streng geheim41

STAATSKOMMITEE FÜR VERTEIDIGUNG VERORDNUNG Nr.: ГОКО-2383cc

7. Oktober 1942
Moskau, Kreml

Zur zusätzlichen Mobilisierung der Deutschen für die Volkswirtschaft der UdSSR

Zusätzlich zu den GOKO-Vorschriften Nr. 1123ss vom 10. Januar 1942 und Nr. 1281ss vom 14. Februar 1942, das Staatsverteidigungskomitee BESCHLIESST:

1. Alle deutschen Männer im Alter von 15-16 Jahren und 51-55 Jahren, die für körperliche Arbeit geeignet sind, und sowohl aus den zentralen Gebieten der UdSSR und der Republik der Wolgadeutschen nach der Kasachischen SSR und den östlichen Gebieten der RSFSR übersiedelt sind als auch diejenigen, die in anderen Regionen, Gebieten und Republiken der Sowjetunion leben, zusätzlich in Arbeitskolonnen für die gesamte Dauer des Krieges zu mobilisieren.

2. Gleichzeitig müssen deutsche Frauen im Alter von 16 bis einschließlich 45 Jahren für die gesamte Dauer des Krieges in Arbeitskolonnen mobilisiert werden.

Von der Mobilisierung sind deutsche Frauen, die schwanger sind und Kinder unter 3 Jahren haben, zu befreien.

3. Bestehende Kinder, die älter als 3 Jahre sind, werden in Obhut der übrigen Familienmitglieder gegeben. In Abwesenheit anderer Familienmitglieder, außer denen, die mobilisiert werden müssen, werden Kinder in Obhut der nächsten Verwandten oder deutscher Kollektivwirtschaften gegeben.

Die örtlichen Sowjets der Volksdeputierten sind verpflichtet, die Maßnahmen zur Unterbringung der ohne Eltern hinterlassenen Kinder zu ergreifen.

4. Die Mobilisierung der Deutschen den NKO42 und dem NKWD unter Beteiligung örtlicher Organe der Sowjetmacht anzuvertrauen.

Die Mobilmachung der Deutschen muss sofort beginnen und innerhalb eines Monats abgeschlossen sein.

5. Alle mobilisierten Deutschen müssen verpflichtet werden, in brauchbarer Winterkleidung mit einem Vorrat an Wäsche, Bettwäsche, einem Becher, einem Löffel und einem 10-tägigen Vorrat an Lebensmitteln an den Sammelstellen zu erscheinen.

6. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Deutschen sowohl wegen Nichterscheinens zur Mobilmachung an Einberufungs- oder Sammelstellen als auch wegen unbefugter Aufgabe der Arbeit oder Desertion aus den Arbeitskolonnen muss, – gemäß dem Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 26.XII-1941 „Über die Verantwortung der Arbeiter und Angestellten von Rüstungsunternehmen für unbefugtes Verlassen von Unternehmen“, – festgesetzt werden.

7. Männer, die gemäß dieser Verordnung zu mobilisieren sind, müssen zur Arbeit in die Unternehmen der Trusts „Chelyabugol“43 und „Karagandaugol“44 des Narkomugol45 geschickt werden.

Die mobilisierten deutschen Frauen müssen gemäß der Aufstellung des Narkomneft46 in seine Betriebe geschickt werden.

8. Das NKPS47 (Genosse Chruljow)48 und die Abteilung für militärische Kommunikation der NKO (Genosse Kowaljow)49 sind verpflichtet, den Transport für mobilisierte Deutsche auf Ersuchen des NKO und des NKWD bereitzustellen.

9. Das Volkskommissariat für Erdölindustrie der UdSSR und das Volkskommissariat für Kohleindustrie der UdSSR zu verpflichten, die Aufnahme, Unterbringung und rationelle Verwendung der abkommandierten Arbeitskräfte von mobilisierten Deutschen sicherzustellen.

Die Kosten, die mit der Mobilisierung und dem Transport der Mobilisierten zu ihrem Bestimmungsort verbunden sind, müssen den Finanzplänen des Narkomugol und des Narkomneft zugeschrieben werden.

10. Das Volkskommissariat für Handel der UdSSR (Genosse Ljubimow)50 zu verpflichten, die Nahrungsmittelversorgung der auf dem Weg Mobilisierten sicherzustellen.

11. Das NKWD der UdSSR und das NKO müssen dem Staatsverteidigungskomitee über die Ergebnisse der Mobilmachung der Deutschen und über die Zahl der Deutschen, die in die Unternehmen Narkomugol und Narkomneft geschickt wurden, berichten.

VORSITZENDER DES STAATSKOMMITEES FÜR VERTEIDIGUNG  J. STALIN

Auszüge [mit Punkten der Verordnung] sind versandt: Genossen Molotow, Berija,52 Schtschadenko,53 Schukow,54 Tschadajew55 – alle [Punkte der Verordnung].
Örtlichen Partei- und sowjetischen Organisationen – 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 10 [Punkte der Verordnung]. Rytschkow,56 Botschkow57 – 6 [Punkt der Verordnung]; Sedin,58 Wachruschew59 – 7, 9; Chruljow,60 Kowaljow (NKO)61, Pomaznew62 – 8 [Punkt der Verordnung]; Ljubimow63 – 10 [Punkt der Verordnung]. Rytschkow64 – alle [Punkte der Verordnung].

Gemäß dem Art. II der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes „bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:“65

c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;

Zeichnungen von GULAG-Häftling (1941–1955) Frau Johanna Jenn (*1925; †2016) 66, 67

Die Verpflegung der „mobilisierten“ Russlanddeutschen wurde nach GULAG Normen festgelegt (Ab. 6 der ‚Verordnung 1123 cc‘). Ohne Gerichtsverfahren wurden alle russlanddeutschen Männer des reproduktiven Alters den kriminellen Verbrechern gleichgestellt und viele von ihnen dem Untergang vor Hunger geweiht. Zu den „Böswilligen“ konnte „die höchste Strafe“, d.h. Erschießung, angewandt werden (Ab. 5 der ‚Verordnung 1123 cc‘). In Weißrussland, die von den Kriegshandlungen am schwersten mitgenommen gewesen war, ging jeder vierte Einwohner unter. In rückwärtigen Gebieten, in den Kohlengruben und Holzschlägen – jeder dritte Russlanddeutsche. In Zechen Sibiriens dauerte die Arbeitswoche für Russlanddeutschen nicht 7 Tage, wie bei anderen, sondern 10 Tage. Der Arbeitstag unter Tage dauerte von 12 bis 16 Stunden. 

d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;

Zeichnung von GULAG-Häftling (1941–1955)
Frau Johanna Jenn (*1925; †2016) 68

Die Verordnung 2383 cc ordnete die Trennung der russlanddeutschen Frauen und Männer der reproduktiven Altersstufen an. Alle russlanddeutschen Männer von 15 Jahren (eigentlich noch Kinder des Pubertätsalters – W.F.) bis 55 Jahren (Ab. 1 der ‚Verordnung 2383 cc‘) und alle russlanddeutschen Frauen von 16 (auch Kinder) bis 45 Jahren (Ab. 2a der ‚Verordnung 2383 cc‘) wurden zu verschieden Konzentrationslagern, die von einander zighunderte, -tausende Kilometer entfernt gewesen waren, abtransportiert. Männer wurden zur Sklavenarbeit in den Kohlgruben im Ural und in Kasachstan gezwungen (Ab. 7a der ‚Verordnung 2383 cc‘) und Frauen – gen Taiga-Holzschläge in die Wildnis (Ab. 7b der ‚Verordnung 2383 cc‘).

e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Es trippelt und stolpert bei Schnee und Wind
auf sibirischen Wegen ein deutsches Kind.
Die Eltern, die nahm man ihm weg mit Gewalt,
und Oma liegt krank, und der Ofen ist kalt.
Drei Tage kein Brot mehr im ganzen Haus –
da trieb es der Hunger zum Betteln hinaus.
Fremd ist ihm die Sprache im weltfremden Ort,
es kennt nur ein einziges russisches Wort:
Statt „Brot“ sagt’s jetzt „Chleb“,
und sein Händchen streckt’s vor,
steht frierend vergebens vor manch fremdem Tor.
Man stößt es und jagt es mit Drohungen fort:
„Verschwinde, Verfluchter, zieh weg aus dem Ort!“
Ihm schwindelt vor Hunger, die Kraft geht ihm aus,
der Abendwind schiebt es zum Dorfe hinaus.
Die Nacht ist so dunkel und frostig der Wind,
sibirische Straßen gefahrenreich sind.
Der Sturm rast vorüber. Die Wolken zieh’n ab.
Am Wegrand erstarrt liegt ein Kind ohne Grab,
sein flehendes Händchen zum Himmel gereckt,
von schneeweißem Leichentuch gnädig bedeckt. 70

Zeichnung von GULAG-Häftling (1941–1955)
Frau Johanna Jenn (*1925; †2016)

Dem heuchlerischen Ab. 3a der ‚Verordnung 2383 cc‘ gemäß, mussten alle russlanddeutschen Kinder älter als drei Jahre „in Obhut der übrigen Familienmitglieder gegeben“,  den „nächsten Verwandten“ oder „deutschen Kollektivwirtschaften“ übergeben werden. Schon im Vertreibungschaos von 1941 waren die russlanddeutschen Familien und Verwandtschaftskreise aufgrund der behördlichen Willkür fast komplett zerrfetzt worden! De jure und de facto gab es in der Sowjetunion 1942 überhaupt keine „deutschen Kollektivwirtschaften“!

Den zynischen Hohepunkt der ‚Verordnung 2383 cc‘ beinhaltet Ab. 3b: „Die örtlichen Sowjets der Volksdeputierten (d.h. die bolschewistischen Vertretungen – W.F.) sind verpflichtet, die Maßnahmen zur Unterbringung der ohne Eltern hinterlassenen Kinder zu ergreifen.“ Im Oktober 1942 gab es keine „Unterbringungsmöglichkeiten“ für die zum sicheren Tod geweihten zigtausenden russlanddeutschen Kinder in öden kasachischen Steppen oder in dem Nordpol nahen sibirischen Taiga, worin sie mit ihren Eltern Ende 1941 verschleppt worden waren! Die Mehrheit von diesen war gewaltsam in den überfüllten Waisenhäusern „untergebracht“ worden. Nun wurden die minderjährigen Geschwister voneinander getrennt und der Willkür der deutschfeindlichen Fernstehenden ausgesetzt.     

a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;

Johann Friesen, war, 1941

Zeichnung von GULAG-Häftling (1941–1955) Frau Johanna Jenn (*1925; †2016)71, 72, 73, 74

Die Bilder sprechen für sich

Oskar Aul (*1927; †2010). Russlanddeutsche Sklavinnen 75


Die sowjetischen Behörden „verstanden“ bald, dass es gemäß der Verordnung Nr.: ГОКО-2383cc keine Möglichkeit gab, „bestehende Kinder, die älter als 3 Jahre sind, … in Obhut der übrigen Familienmitglieder“ zu geben bzw. „in Abwesenheit anderer Familienmitglieder, außer denen, die mobilisiert werden müssen, … Kinder in Obhut der nächsten Verwandten oder deutscher Kollektivwirtschaften“ zu geben. 42 Tage später wurde dieser geheime Beschluss verabschiedet:

„Geheim
Beschluss Nr.: 1843-861c
Moskau, Kreml 18. November 1942

…3. Die Kinder der in die Arbeitskolonnen mobilisierten Deutschen sind in russischen und kasachischen Kolchosen unterzubringen.

Stellvertretender des Vorsitzenden des Sowjets des Volkskommissariats der UdSSR
W. Molotow

(Russisches Staatsarchiv für Zeitgeschichte [ehemaliges ЦХСД]) Bestand …, Inventarverzeichnis 58, Dokument 178, Seite 55)

Durch die Einführung der Trudarmee wurden die deutschen Männer von den Frauen getrennt. Die Zahl der deutschen Minderheit geriet ins Stocken. Ganz zu schweigen von den schrecklichen Jahren 1942 bis ’44 … und von den Nachkriegsjahren: „Die schwierigen Lebensbedingungen verdammten die Deutschen zum Aussterben. Die Dynamik (Geburtsraten, Todesfälle) der Fortpflanzung der mobilisierten Deutschen war wie folgt: 1945 sind 1914 Kinder geboren, es starben 6930 Menschen; 1946 demgemäß 4236 und 8915; 1947 – 7314, 12 575; 1948 – 12 309, 17 679. Doch wer waren die Väter dieser Kinder?”76

Zeichnung von GULAG-Häftling (1941–1955) Frau Johanna Jenn (*1925; †2016)77

Erst im Herbst 1946 wurden die Arbeitskolonnen (Trudarmee) aufgelöst. Der Stacheldraht verschwand, doch die Trudarmisten wurden unter Sonderaufsicht gestellt und durften die Orte der Mobilisierung – die GULAGs – nicht verlassen. Es wurde ihnen erlaubt, die Familien in die GULAGs zu holen.
Am 26. November 1948 erschien ein weiterer Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, der die Sowjetdeutschen auf ewige Zeiten ins Joch spannte. Die „sozial gefährlichen Elemente“ wurden jetzt ewige Sonderansiedler. Das Verlassen des angewiesenen Ortes wurde mit 20 Jahren Zwangsarbeit im Hohen Norden bestraft. So wurden die Trudarmisten – alle Sowjetdeutschen – auf ewige Zeiten festgenagelt, man hielt sie weiter in festen Zügeln. Die Unterdrückung der Mobilisierten kann man auch in vielen späteren Dokumenten erkennen. So ein Bericht des Kommissars der inneren Angelegenheiten der Usbekischen SSR:
Nr.: 28925, Taschkent


Streng geheim

NKWD der UdSSR. Moskau,
an Gen. Rachimov 24. Februar 1950

…Es befinden sich im Einsatz des Bauunternehmens Nr.: 5 zu diesem Zeitpunkt 680 mobilisierte deutsche Frauen…
Alle arbeitenden Deutschen erhalten 800g Brot und zweimal Gekochtes, die nicht Arbeitenden – 400g Brot und einmal gekochtes Essen.
Die Wohn- und Lebensverhältnisse der mobilisierten deutschen Frauen sind unbefriedigend. 274 Personen leben in Zelten, ohne Pritschen, schlafen auf dem Boden, 250 – leben im Pferdestall der Kolchose Namens Stalin und schlafen auch auf dem Boden…

A. Kruglov
(Staatsarchiv der Russischen Föderation. Bestand Р9479, Inventarverzeichnis 58.1, Seite134, Seite 818.)

Die Brotkarten wurden schon 1947 abgeschafft, doch noch 1950 bekamen die obengenannten mobilisierten deutschen Frauen die Hungerration 800g Brot und waren gezwungen in unmenschlichen Verhältnissen zu leben.“78

Am 22. Februar 1955 wurden nach Beschluss des Deutschen Bundestages die während des Krieges erworbenen Staatsangehörigkeiten als gültig anerkannt. Gleichzeitig besuchte im September dieses Jahres der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (*1876; †1967) die UdSSR und es wurde eine Reihe von Regierungsabkommen unterzeichnet.
Am 13. Dezember 1955 erließ das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ein Dekret „Über die Aufhebung der Einschränkungen der Rechte der Deutschen und ihrer Familien, die sich in Sondersiedlungen befinden (ohne Rückgabe des beschlagnahmten Eigentums). Allerdings, gleichzeitig wurde ihnen verboten, in ihre früheren Heimatsiedlungen zurückzukehren. Der Prozess der Umsiedlung von Deutschen nach Deutschland, in die DDR und nach Österreich begann. Es wurde ursprünglich unter dem Motto der Wiedervereinigung von Familien aufgeführt, die während des Krieges auseinandergerissen wurden. Zu dieser Zeit gelang es bis zu mehreren tausend Menschen pro Jahr auszuwandern.

Versuch, die Kultur der Russlanddeutschen und ihre Autonomie wiederzubeleben

Der Zustand der russisch-deutschen Kunst und Literatur im Jahr 1955 war Besorgnis erregend. Die talentiertesten wurden fast vollständig ausgerottet. Keiner der alten intellektuellen Schriftsteller überlebte. Nach dem Krieg gab es keine bedeutenden russisch-deutschen Schriftsteller. Es gab keine berufstätigen Literaten; Schriftsteller waren in der Regel Lehrer, die sich nebenbei mit Literatur beschäftigten.
Einige der älteren Schriftstellergenerationen der Nachkriegszeit, die vor dem Krieg etwas geschafft hatten, waren hauptsächlich Bauern und Arbeiter nach ihrer Herkunft, und ihr Weg ins Leben und in die Literatur fiel in schwere Zeiten, so dass sie, nachdem sie eine lange und strenge Schule des Lebens durchlaufen hatten, normalerweise nicht die Möglichkeit hatten, eine substanzielle Ausbildung und einen weiten Horizont zu erhalten. All diese Menschen mussten irgendwo hart arbeiten, um ihre Familien und sich selbst zu ernähren, um ihre ersten Schritte in der Literatur machen zu können.
Es gab keinen einzigen Buchverlag, keine einzige Zeitschrift, nicht einmal eine einzige Zeitung, in der russisch-deutsche Schriftsteller ihre Werke drucken konnten, wenn sie sie schrieben. Nach dem Krieg bedeutete das Wort „deutsch“ noch „Feind“.
Ende 1955, als das „Sonderregelungsregime“ für Russlanddeutsche abgeschafft wurde, erschien die erste deutschsprachige Zeitung seit Kriegsbeginn in Barnaul, dem Verwaltungszentrum der Altai-Region. Es wurde ohne viel Phantasie, aber ideologisch getragen – Arbeit. Sie gewann schnell an Popularität in der deutschen Bevölkerung. Ihr Chefredakteur war der Russe V. S. Pestow; zuvor arbeitete er in Berlin als stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung Rundschau der sowjetischen Militäradministration. Doch der erfahrene russische Redakteur und die Redaktion, der auch russlanddeutsche Korrespondenten und Schriftsteller angehörten, gerieten in Konflikt mit den lokalen Behörden. Anderthalb Jahre später wurde diese Zeitung geschlossen.
Aber am 15. Juni 1957 wurde die erste Ausgabe der Zeitung Rote Fane in Slawgorod, dem Bezirkszentrum der Altai-Region, und ein weiteres – Arbeitsbanner in Snamenka, dem Zentrum des gleichnamigen Rayons, gedruckt. Letztere bestand bis 1959.  
Am 1. Mai 1957 erschien in Moskau die erste Ausgabe der zentraldeutschen Zeitung mit dem bereits optimistischeren Namen Neues Leben. Wie die Zeitung „Arbeit“ wurde auch die Zeitung „Neues Leben“ von ehemaligen Mitarbeitern der sowjetischen Besatzungszeitung in Deutschland geleitet, Menschen russischer und jüdischer Nationalität. Sie unternahmen große Anstrengungen, um Kontakte mit der „sowjetdeutschen deutschen Bevölkerung“ aufzubauen und versuchten , sie „in den Schoß des Sozialismus“ zu führen, Diese deutschen Zeitungen waren die einzigen Einrichtungen in der UdSSR, die in diesen schwierigen Jahren ideologische, erzieherische, oft organisatorische und kulturelle Arbeit unter der deutschen Bevölkerung leisteten. Der nötige Kontakt zu den Lesern fehlte jedoch zunächst. Es war keine leichte Aufgabe, das Korrespondentennetz aufzubauen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Schriftstellern zu schmieden.
Doch der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei (14.–25. Februar 1956) und die anschließende Wiederherstellung der Staatlichkeit einer Reihe anderer Sowjetvölker, die während des Krieges ebenfalls zu Unrecht unterdrückt wurden, weckten in der deutschen Bevölkerung große Hoffnungen, die zu einer gewissen Annäherung zwischen Zeitungsmitarbeitern und Lesern führten.
Die Abwesenheit von Vertretern der Russlanddeutschen in der Redaktion, ganz zu schweigen von ihrem Vorsitz, konnte die Arbeit der Zeitung jedoch nur erschweren. Es wurde so wahrgenommen, wie es wirklich war: Diese Zeitung war nicht von „Sowjetdeutschen“, sondern für „Sowjetdeutsche“. Die unerfüllten Hoffnungen der Menschen, die Autonomie der Russlanddeutschen in den späten 1950er Jahren wiederherzustellen, die schwere Unterdrückung ihrer Identität und ihres kulturellen Lebens führten im Laufe der Zeit dazu, dass der Name der Zeitung „Neues Leben“ von ihren Lesern als bitterer Hohn empfunden wurde.
Die politische Situation in der UdSSR im Verhältnis zur deutschen Bevölkerung war eher hoffnungslos. Selbst die zentrale Zeitung, die speziell für die Arbeit unter den „Sowjetdeutschen“ geschaffen und von der zentralen kommunistischen Parteizeitung „Prawda“ (Wahrheit) herausgegeben wurde, war nicht in der Lage, die Lösung der einfachsten Fragen durch die örtlichen Partei- und Sowjetbehörden anzuregen. Dennoch gelang es dem „Neuen Leben“ im Laufe der Jahre, immer mehr zur Wiederbelebung der russlanddeutschen Literatur beizutragen.
Zur gleichen Zeit – zum ersten Mal nach der Liquidierung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, der Deportation aller Russlanddeutschen, nach vielen Jahren Sklavenarbeit hinter Stacheldraht, nach Kriegsende, nach schrecklichen Völkermorddekreten und dem Regime der Sonderkommandanturen – entstand die Gruppe der Russlanddeutschen Aktivisten. Sie ging von stiller Geduld und individuellen Initiativen zur kollektiven Aktion über, um die Hauptprobleme des Volkes zu lösen: seine vollständige Wiederherstellung und Wiederherstellung seiner Staatlichkeit.

Heimlich, damit die Behörden nichts erschnüffelten, wurden in verschiedenen Regionen des Landes, in denen Russlanddeutsche lebten, Unterschriften und Geld für die Delegation nach Moskau gesammelt. Anfang Januar 1965 reiste die Delegation nach Moskau, um die Wiederherstellung der Autonomie anzufordern.

Russia-Germans Familiengeschichte Friesen

1960er Jahre: Demonstration im mennonitischen Dorf Schdanowka (Südural)
anlässlich des „Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“.
(7. November 1917)
Demonstranten tragen ein Plakat mit der Aufschrift – Frieden
auch in deutscher Sprache als Ausdruck zulässiger nationaler Identität geschrieben.
Bis Ende der 1950er Jahre war dies noch nicht möglich.
Archiv des Autors

Am 4. Januar 1965 fand in der Redaktion des „Neuen Lebens“ die erste Delegiertenversammlung statt. Wir wurden von der Redaktion recht freundlich behandelt, sogar eines der Büros wurde für uns bereitgestellt. Viel später kam ich auf die Idee, dass unser Aufenthalt in der Redaktion zeitnah mit den zuständigen Behörden abgestimmt worden sein musste … Es ist schwer anzunehmen, dass die Redaktion beschlossen hat, die Delegation der Russlanddeutschen aus eigenem Antrieb zu beherbergen und zu unterstützen.79

Es waren 12 Personen in der Delegation. „Offiziell nannten wir uns die ‚Initiativgruppe der Sowjetdeutschen, die zur Frage der Wiederherstellung der deutschen autonomen Republik nach Moskau kamen‘. Ich möchte Aufmerksamkeit einem sehr wichtigen Moment in dieser Benennung der Gruppe schenken: „zur Frage der Wiederherstellung der deutschen autonomen Republik“, nicht der „Wolgadeutschen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik“…
Die Ergebnisse der ersten Delegation konnten unterschiedlich bewertet werden, und es gab viele Kritikpunkte, die auf Wunsch gefunden werden könnten. Wenn wir uns jedoch über das Nebensächliche erheben, erscheinen diese Ergebnisse sehr wichtig.
Erstens, war die Tatsache der Aufnahme sowohl für die Sowjetdeutschen als auch für die örtlichen Behörden, in denen sie lebten, von großer Bedeutung. Es wurde deutlich, dass unser Problem und unsere Initiativen nicht mehr ohne weiteres ignoriert werden können.
Zweitens, ist es auch heute noch erstaunlich, wie eine kleine Gruppe, die zum ersten Mal seit 23 Jahren ein so brennendes Thema aufgeworfen hat, es in so kurzer Zeit und sogar in einer so unbequemen Neujahrszeit geschafft hat, die Aufnahme fast auf höchstem Niveau zu erreichen.
Drittens, die Wiederherstellung der Republik wurde uns verweigert, nicht weil die sowjetische Führung dieses Problem überhaupt angehen wollte, sondern weil sie das Gebiet der ehemaligen ASSR als bewohnt betrachtete. Daraus folgten drei Schlussfolgerungen:
a) Wenn wir beweisen, dass das Gebiet nicht bewohnt ist, kann die Republik wiederhergestellt werden;
b) Wenn die Wolga-Variante nicht funktioniert, gibt es Hoffnungen auf die Wiederherstellung der Staatlichkeit anderswo;
c) Zum ersten Mal nach Jahren der Repression, der Zwangsarbeitslager und der Diskriminierung führten die Behörden einen Dialog mit den Sowjetdeutschen auf der Ebene der Argumente;
Viertens, obwohl diese erste kleine Delegation schlecht vorbereitet war und sie aufgrund wackeliger Argumente zur Wiederherstellung der autonomen Republik abgelehnt wurde, wurde versprochen, das Aufenthaltsverbot aufzuheben, deutsche Schulen und Verlage zu
eröffnen, alle Einschränkungen und Verstöße aufzuheben. Es wurde auch die Bereitschaft bekundet, verschiedene Appelle der deutschen Bevölkerung zu berücksichtigen sowie wichtige Dekrete darüber zu veröffentlichen. Wir glaubten, dass all dies bedeutete, dass wir mehr hätten erreichen können, wenn unsere Delegation besser vorbereitet worden wäre und wenn unsere Argumente unwiderlegbarer gewesen wären.
Und fünftens, die Delegierten erhielten eine direkte Antwort auf die direkt gestellte Frage: Es wird keine Verfolgung der Delegationsteilnehmer geben.
Das bedeutete, dass viele zukünftige Aktivisten keine Strafverfolgung fürchten mussten und die zweite Delegation nicht nur zahlreicher sein konnte, sondern auch mutiger und selbstbewusster agieren sollte
.“80
Nachrichten über die erste Reise der Delegation erreichten die Mehrheit der russlanddeutschen Bevölkerung der UdSSR; auch seine Mitglieder trugen dazu bei.
Natürlich war nichts über die Delegation im Radio zu hören oder in den Zeitungen zu erscheinen. Auch das „Neue Leben“ konnte nichts veröffentlichen, außer einem Foto der Gruppe, das der Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets Anastas Mikojan (*1895; †1978) entgegennahm und als „Gruppe von Zeitungsgästen“ bezeichnete.
Die Notwendigkeit einer zweiten Delegation war vielen klar. Die Ziele dieser Delegation waren auch klar: die Forderung nach der Wiederherstellung der russlanddeutschen Staatlichkeit zu wiederholen. Sie musste sich auf die wichtigsten Probleme konzentrieren und alle Versuche widerlegen, sie durch Nebenfragen abzulenken. Nach der Erhebung der lokalen unparteiischen Daten konnte auch das Hauptgegenargument über die angeblich ausreichende Besiedlung des Territoriums der ehemaligen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen leicht widerlegt werden. Die Delegation musste viel repräsentativer sein und natürlich für einen längeren Aufenthalt in Moskau bereit sein. Infolgedessen wurden mehr Mittel benötigt.
Am 3. Juni 1965 traf eine Delegation von 28 Personen in Moskau ein. Sie vertraten Russlanddeutsche aus 15 Republiken und Regionen. Alle Delegierten hatten Vollmachten mit Unterschriften: insgesamt 3.498 Unterschriften.
 Es wurde ein ‚Ständiger Ausschuss für die Entwicklung und Vorlage von Materialien an das Präsidium des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR über die Frage der Wiederherstellung der Wolgadeutschen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik und die vollständige Rehabilitierung der Sowjetdeutschen‘ gewählt.
Am 8. Juni wurden die Briefe an den Führer der Sowjetunion Leonid Breschnew und den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets Anastas Mikojan geschickt.
Die Aufrufe der Russlanddeutschen auf 137 Blättern mit 3.498 Unterschriften waren dem Brief an Breschnew beigefügt.
Am 15. Juni 1965 wurde eine Delegation von 30 Russlanddeutschen von einer Gruppe von Vertretern des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion aufgenommen.
Am 7. Juli empfing Mikojan die Delegation erneut. Er beendete das Treffen mit folgenden Worten: „Die Sowjetdeutschen haben sich während des Krieges, nach dem Krieg, gut benommen und benehmen sich jetzt gut. Sie arbeiten gut. Jetzt ist es unmöglich, Landwirtschaft ohne Deutsche in den Jungfernländern (damals eine Reihe von Regionen Nord- und Zentralkasachstans) zu betreiben. Sie werfen die Frage der Wiederherstellung der Republik auf. Wir sind uns bewusst, dass dies die beste Lösung für Ihre Frage wäre. Aber das ist nicht möglich, weil man eine halbe Million Menschen umsiedeln muss.“

Wenn Anstrengungen, sogar die großen, nicht das gewünschte Ergebnis bringen, werden sie oft kritisch diskutiert, oder sie würden überhaupt nicht diskutiert, oder man würde versuchen, sie zu vergessen („Sieg hat tausend Väter, aber Niederlage ist ein Waisenkind“, sagte Napoleon). Das ist sehr ungerecht. Denn hinter diesen Bemühungen stehen – Glaube, Hoffnung, Selbstaufopferung, oft Drama und Tragödie von Hunderten und Tausenden von Menschen, ihre verzerrte Zukunft, gebrochene Seelen. Als Ergebnis unserer Bemühungen gab es keine Mitglieder unserer beiden Delegationen, die glücklich waren. Kein einziger. Und umso mehr Respekt sollte diesen Menschen gewährt werden, die wussten, was sie taten, wussten, was auf sie wartete, und sich dennoch dafür einsetzten.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Mitglieder der Delegation trotz der Repressionen, die sie durchgemacht haben, trotz ihres manchmal sehr hohen Alters und weit davon entfernt, bei blühender Gesundheit zu sein, mit einem so hohen Verantwortungsbewusstsein für die gemeinsame Sache gekämpft haben, während so viele ihr Handeln aus der Ferne aufmerksam beobachteten.“81


    

Mitglieder der Zweiten Delegation
Archiv von Hugo Wormsbecher

Russlanddeutsche auf dem Foto
1. Reihe, von links nach rechts

1 – Heinrich Wormsbecher

(Генрих [Андрей?] Фридрихович Вормсбехер; *1899; †vor 1980), Rentner, kam aus Vilnius, der Hauptstadt der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Hauptstadt der Republik Litauen).

2 – Maria Steinbach

(Мария Александровна Штейнбах; *1933), Kunsthistorikerin, Lehrerin an einer Bauingenieurberufsschule, kam aus Frunse, der Hauptstadt der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute – Bischkek, die Hauptstadt der Kirgisischen Republik).

3 – Konstantin Bornemann

(Константин Карлович Борнеман; *1896; †vor 1980), Rentner, kam aus Kotowo, einem Dorf (seit 1966 – Stadt) in der Oblast Wolgograd der Russischen Föderation.

4 – Minna Busch

(Минна [Мария?] Яковлевна Буш; *1917; †2004), Bauleiterin, kam aus Frunse (jetzt – Bischkek, der Hauptstadt der Kirgisischen Republik).

5 – Amalia Jauk

(Амалия Богдановна [Готфридовна?] Яук; *1897; †?), Rentnerin, kam aus Krasnojarsk, dem Verwaltungszentrum der Verwaltungsregion (Krai) Krasnojarsk der Russischen Föderation.

6 – Minna Helfenbein

(Минна Фридриховна Гельфенбейн; *1926; †?), Kassiererin, kam aus Krasnoturyinsk, einer Stadt in der Oblast Swerdlowsk in Russland.

7 – Emilia Lerch

(Эмилия Генриховна Лерх; *1907; ?†), Rentnerin, kam aus Oktjabrski, einer Siedlung städtischen Typs in der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Baschkiren (heute Baschkortostan)

8 – Friedrich Schössler

(Фридрих Георгиевич Шесслер; *1902; †1980), Rentner, kam aus Abakan, der Hauptstadt der Autonomen Oblast Chakas (heute Republik Chakassien)

9 – Pauline Hill

(Паулина Ивановна Гиль; *1914; †?), Lehrerin, kam aus Romanowka, einem Dorf in der Verwaltungsregion (Krai) Altai in der Russischen Föderation.

Ganz links sind zwei junge Männer

10 – Jakob Olfert

(Яков Яковлевич Ольферт; *1945), Lehrer, kam aus Uzynagash, einem Dorf in der Oblast Almaty der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Kasachstan).

11 – Hugo Wormsbecher

(Гуго Густавович Вормсбехер; *1938), Lehrer, kam aus Alma-Ata, der damaligen Hauptstadt der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Kasachstan)

2. Reihe, von links nach rechts

12 – Alexander Becker

(Александр Иванович Беккер; *1901; †?), Rentner, kam aus Krasnoturyinsk, einer Stadt in der Oblast Swerdlowsk der Russischen Föderation.

13 – David Goßmann

(Давид Генрихович Госман; *1905; †?), Autofahrer, kam aus Schira, dem Verwaltungszentrum des Schirinski Rajons der Autonomen Oblast Chakas (heute Republik Chakassien).

14 – Friedrich Helfenbein

(Фридрих Генрихович Гельфенбейн; *1904; †1980), Rentner, kam aus Krasnoturyinsk, einer Stadt in der Oblast Swerdlowsk in Russland.

15 – Karl Winter

(Карл Петрович Винтер; *1913; †?), Buchhalter, kam aus Krasnojarsk, dem Verwaltungszentrum der Region (Krai) Krasnojarsk in der Russischen Föderation.

16 – Artur Streck

(Артур Александрович Штрек; *1919; †1990), Zimmermann, stammte aus Frunse (heute Bischkek, die Hauptstadt der Kirgisischen Republik).

17 – Maria Vogel

(Мария Иосифовна Фогель; *1910; †1972), Journalistin aus Moskau.

18 – Albert Barbier

(Альберт Петрович Барбье; *1907; †?) kam aus Frunse (heute Bischkek, die Hauptstadt der Kirgisischen Republik)

19 – Karl Welz

(Карл Давыдович Вельц; *1911; †1991), Schriftsteller, kam aus Tselinograd (heute Astana, die Hauptstadt der Republik Kasachstan).

20 – Heinrich Kaiser

(Генрих Филиппович Кайзер; *1901†; 1967), Rentner, kam aus Tschernogorsk, einer Stadt in der Autonomen Oblast Chakas (heute Republik Chakassien).

3. Reihe, von links nach rechts

21 – Ernst Kontschak

(Эрнст Карлович Кончак; *1903; †1979), Schriftsteller, kam aus Talgar, einer Stadt in der Oblast Almaty der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Kasachstan).

22 – Johann Brug

(Бруг Иван Карлович; *1899; †1978), Rechtsanwalt, kam aus Frunse (heute Bischkek, dieHauptstadt der Kirgisischen Republik).

23 – Friedrich (Ferdinand) Neuwirt

(Фридрих (Фердинанд) Готлибович Нейвирт; *1899; †?), Rentner, kam aus Barnaul, dem Verwaltungszentrum der Region (Krai) Altai der Russischen Föderation.

24 – Therese Chromowa-Schilke

(Терезиа Христиановна Хромова (Шильке); *1919; †2004), Deutschlehrerin an der Kirgisischen Nationalen Universität in Frunse (heute Bischkek, Hauptstadt der Kirgisischen Republik).

25 – Jakob Franke

(Яков Филиппович Франке; *1898; †?), Rentner, kam aus Jemanschelinsk, einer Stadt in der Oblast Tscheljabinsk der Russischen Föderation.

Obere Reihe, von links nach rechts

26 – Jakob Rosental

(Яков Кондратьевич Розенталь; *1907; †?), Ökonom, kam aus Ischimbai, einer Stadt in der Baschkirischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Baschkortostan).  

27 – Waldemar (Wladimir) Hahnstein

(Владимир Фридрихович Ганштейн; *1936), Ingenieur, kam aus Karaganda, einer Industriestadt in der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Kasachstan).

28 – Johann Kronewald

(Кроневальд Иван [Иоганн] Иванович; *1919; †1995), Journalist, Hochschullehrer, kam aus Nischni Tagil, einer Industriestadt in der Oblast Swerdlowsk der Russischen Föderation.

29 – Friedrich Fritzler

(Фридрих Фридрихович Фрицлер; *1903; †1986), Rentner kam aus Kaskelen, einer Stadt in der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Kasachstan).

30 – Johann Enders

(Иван [Иоганн] Яковлевич Эндерс; *1896; †vor 1980), Rentner, kam aus Krasnoturjinsk, einer Stadt in der Oblast Swerdlowsk in Russland.

31 – Adolf Bersch

(Адольф Яковлевич Берш; *1915; †2010), Lehrer, kam aus Pallasowka, einem Dorf in der Oblast Wolgograd der Russischen Föderation.

Die folgenden Mitglieder der Delegation sind nicht auf diesem Foto zu sehen

32 – Johann Warkentin

(Иоганн [Иван] Абрамович Варкентин; *1920; 2012), Schriftsteller, kam aus Alma-Ata, damals Hauptstadt der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Kasachstan).

33 – Dominik Hollmann

(Доминик Иосифович Гольман; *1899; †1990), Schriftsteller, kam aus Krasnojarsk, dem Verwaltungszentrum der Region (Krai) Krasnojarsk in der Russischen Föderation.

34 – Emma Schneider

(Эмма Шнейдер; *1909; †?), Rentnerin, kam aus Oktjabrski, einer Siedlung städtischen Typs in der Baschkirischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Baschkortostan).

35 – Benjamin Hirschfeld

(Бенжамин [Вениамин] Гиршфельд; *1911; †?), Lehrer, kam aus Kirowskoje, einem Dorf in der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Kirgisische Republik)

36 – Frieda Rosental

(Фрида Яковлевна Розенталь; *1912; †?), Buchhalterin, kam aus Ischimbai, einer Stadt in der Baschkirischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Baschkortostan).

37 – Paul Gräber

(Павел Павлович Гребер; *1929), Bauingenieur, kam aus Frunse (heute Bischkek, die Hauptstadt der Kirgisischen Republik)

38 – Benjamin Hinz

(Вениамин Александрович Гинц; *1931), Ökonom, kam aus Alma-Ata, der damaligen Hauptstadt der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Republik Kasachstan).

39 – Reinhard Köln

(Рейнгард Рейнгардович Кёльн; *1900; †1988), Journalist, kam aus Krymsk, einer Stadt in der Region Krasnodar der Russischen Föderation.

Weitere Teilnehmer, die sich der Delegation anschlossen und an dem Treffen mit dem Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets Anastas Mikojan teilnahmen am 7. Juli 1965

40 – Kurt Wiedmaier

(Курт Павлович Видмейер [Видмайер]; *1936; †2015), Journalist aus Moskau

41 – Alexander Dotz

(Александр Иванович Дотц; *1890; †nach 1965), Rentner aus Moskau

42 – Anna Paul-Horst

(Анна Георгиевна Пауль-Хорст; *1902; †1984, Rentnerin aus Moskau)

43 – Friedrich Süptiz

(Фридрих Фердинандович Сиптиц; ?); Künstler, kam aus Semipalatinsk (jetzt Semey), einer Stadt in der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik (jetzt  Republik Kasachstan).

Am 3. November 1972 wurde ein Dekret über die freie Wahl des ständigen Wohnsitzes für Russlanddeutsche in der UdSSR unterzeichnet. Das Dekret wurde nicht veröffentlicht. Einigen Berichten zufolge wurde dieses Dekret in den sowjetischen Medien auf Wunsch der Führer der asiatischen Republiken und sibirischen Regionen, die nicht an einer Massenabwanderung der besonders fleißigen deutschen Bevölkerung interessiert waren, nicht weit verbreitet.

Fortsetzung folgt

Angestrebte russisch-deutsche Autonomie in Kasachstan

In den 1970er Jahren hatte die Kasachische Sozialistische Sowjetrepublik eine große Gemeinschaft von Russlanddeutschen, die hauptsächlich aus Bewohnern der abgeschafften Wolgadeutschen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik und repatriierten ehemaligen Sowjetbürgern, die die deutsche Staatsbürgerschaft annahmen, bestand. Nur etwa 15% der deutschen Bevölkerung der Kasachischen SSR waren Nachkommen der Einwanderer, die in den Jahren der Agrarreformen (ab 1906), die von Pjotr Arkadjewitsch Stolypin (*1862; †1911) begonnen wurden, nach Kasachstan kamen.
1978 wurde versucht, die Probleme der russlanddeutschen Bevölkerung der UdSSR zu lösen. Zu dieser Zeit lebten 940.000 Russlanddeutsche in Kasachstan; Das waren 6,6% der Bevölkerung des Landes. Die Hälfte von ihnen betrachtete Deutsch als ihre Muttersprache. 
Im August 1978 wurde eine hochrangige Kommission eingesetzt, um die Probleme der Russlanddeutschen zu prüfen. Seine Mitglieder waren:
– Juri Wladimirowitsch Andropow (*1914; †1984), Vorsitzender des Komitees für Staatssicherheit (KGB);
– Wiktor Michailowitsch Tschebrikow (*1923; †1999), stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Staatssicherheit (KGB);
– Nikolai Anissimowitsch Schtscholokow (*1910; †1984), Innenminister der UdSSR;
– Roman Andrejewitsch Rudenko (*1907; †1981), Generalstaatsanwalt der UdSSR;
– Michail Porfirewitsch Georgadse (*1912; †1982), Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR;
– Iwan Kapitonow (*1915; †2002), Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der UdSSR;
– Michail Simjanin (*1914; †1995), Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion;
– Zia Nurejew (*1915; †2012), stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR, Vorsitzender des Ausschusses für die Entwicklung der Landwirtschaft.
Die Kommission schlug dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vor, die deutsche Autonomie in Form einer autonomen Region auf dem Territorium der Kasachischen SSR zu errichten, wo damals mehr als die Hälfte der „Sowjetdeutschen“ lebten.
Ein kleines Bezirkszentrum von Jereimentau wurde als Hauptstadt dieser Autonomie vorgeschlagen. Mehrere Bezirke der Regionen Zelinograd, Pawlodar, Karaganda und Koktschetaw sollten ebenfalls Teil der Autonomie sein.
Der Hauptzweck der Schaffung dieser deutschen Autonomie war die beabsichtigte zivile Rehabilitierung der deportierten russlanddeutschen Bevölkerung Kasachstans, ihre Legitimierung an Orten des kompakten Aufenthalts. Die sowjetischen Behörden wollten die Russlanddeutschen an ihren neuen Wohnorten konsolidieren und ihre Auswanderung verhindern, insbesondere unter Berücksichtigung der durchaus plausiblen Möglichkeit, wertvolle und oft hochqualifizierte Spezialisten im Agrarsektor und in der Industrie Kasachstans zu verlieren.
Am 31. Mai 1979 verabschiedete das Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der UdSSR die Resolution „Über die Bildung des deutschen Autonomen Gebietes“.
Die Behörden der Kasachischen SSR betrachteten diese Entscheidung über die deutsche Autonomie als Verletzung der Interessen der Republik.
Am 16. Juni 1979 um 8 Uhr morgens versammelten sich Jugendliche und Lehrer an mehreren Orten von Zelinograd. Die Kolonnen der Demonstranten zogen durch die Stadt und versammelten sich auf dem Leninplatz vor dem Gebäude des Zelinograder Regionalkomitees der Kommunistischen Partei der UdSSR, wo die Kundgebung um 10 Uhr begann. Es gibt keinen Konsens über die Anzahl der Teilnehmer an der Aktion. Nach verschiedenen Schätzungen waren es zwischen 500 und 5.000. Sie verkündeten eine Erklärung gegen die Gewährung der Autonomie an die Deutschen, die den regionalen Parteiführern übergeben wurde, die die Parteizentrale verließen, um sich ihre Forderungen anzuhören. Die Demonstranten teilten der regionalen Führung mit, dass sie beabsichtigen, am 19. Juni eine weitere Kundgebung abzuhalten, und wenn die Behörden das Problem bis dahin nicht lösen würden, würden sie in der Nacht des 22. Juni einen Fackelzug abhalten. Die Kundgebung dauerte etwa eine Stunde. Die Demonstranten trugen Transparente mit der Aufschrift: „Unser Land ist eins für alle und unteilbar!“ und skandierten Parolen: „Nein zur deutschen Autonomieregion Jereimentau!“ Viele Einwohner von Zelinograd reagierten passiv auf das, was geschah.
Drei Tage nach der ersten Kundgebung versammelten sich Menschenmengen aus allen umliegenden Straßen auf einem der Vorstadtplätze der Stadt und forderten Antworten auf die Fragen: „Welches Schicksal erwartet die Kasachen auf ihrem Land?“ und „Was wird mit der Autonomie geschehen?
Tatsächlich unterstützte die Regierung der Kasachischen SSR stillschweigend die Demonstranten und verhinderte nicht die Verteilung von Flugblättern in Studentenwohnheimen, die zur Teilnahme an der Protestkundgebung aufriefen. Ohne Zweifel waren die Demonstranten zuversichtlich, dass ihre Forderungen aufgrund ihres Durchsetzungsvermögens und ihrer kompromisslosen Haltung erfüllt würden.
Die Führung der Kasachischen SSR glaubte, dass nach der deutschen Autonomie auch andere Völker, die auf dem Territorium der Kasachischen SSR lebten – Uiguren, Usbeken, Russen und Ukrainer – ihre Autonomie einfordern könnten.
Infolgedessen stimmten die Behörden der UdSSR den Forderungen der Demonstranten zu und verkündeten, dass die Frage der deutschen Autonomie in Kasachstan vollständig von der Tagesordnung gestrichen werde.


Silberborne-Initiative

Im August 1982 wurde eine allgemeine Vereinbarung zwischen dem nichtstaatlichen Gremium für den Aufbau von Kultur- und Umweltgebieten (Cultural and Environmental Areas – CEA) und der Verwaltung des „Zentremetallurgremont Trust“ geschlossen. Dieses Dokument setzte die Organisation eines landwirtschaftlichen Unternehmens voraus, um landwirtschaftliche Produkte für Arbeiter des Trusts zu produzieren.
Für die Arbeiter dieses Unternehmens sollte eine neue Siedlung an der Kreuzung der Bezirke Kirejewsk, Wenjow und Leninski des Gebiets Tula (ca. 20 km von Tula entfernt) organisiert werden. Dieses Gebiet, wie auch der größte Teil Zentralrusslands, das damals offiziell als „Nicht-Schwarzerde-Region“ bezeichnet wurde, war gekennzeichnet durch verlassene und unbelebte Dörfer, extrem niedrige Wohlfahrtsniveaus der Bevölkerung, schlechte Straßen und Arbeitskräftemangel. Nach den Berichten der Bewohner wurde der Niedergang der Dörfer des Gebiets Tula durch die schlecht geplante staatliche Politik der „Konsolidierung der Kollektivwirtschaften“ beschleunigt, die zur Errichtung unverhältnismäßiger und schlecht verwalteter landwirtschaftlicher Großstaatsbetriebe führte. Seit den 1960er Jahren gab es eine konsequente Schließung von Verkaufsstellen, Schulen, Postämtern, medizinischen und sozialen Einrichtungen in Dörfern. Das Gremium  beabsichtigte, auf dem Territorium des Shcheglovskaya Verhau (Waldgebiet, das einst die südliche Grenze des russischen Staates war) ein CEA zu schaffen, das damals Teile der Bezirke Leninskij, Wenewskij, Kirejewskij des Gebiets Tula und einen Teil des Proletarischen Bezirks Tula umfasste.
Die Leitung des Trusts, vertreten durch den Präsidenten des Verwaltungsrats Iwan Wassiljewitsch Tschewakin und den Juristen Wladimir Nikolajewitsch Ponomarew, äußerte den Wunsch, Russlanddeutsche anzuheuern, weil sie diese Leute aus persönlicher Erfahrung als fleißige Arbeiter und Spezialisten kannten, auf die man sich verlassen konnte.
Allerdings, viele Russlanddeutsche, die in der Region Tula lebten, arbeiteten in Bergwerken und Stahlwerken. Dem CEA-Gremium war klar, dass diese Kategorie von Arbeitskräften für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht geeignet war, obwohl viele von ihnen ihren Wunsch äußerten, sich in der noch im Bau befindlichen Siedlung niederzulassen.
Der Autor dieser Handreichung schlug vor, es Silberborne / Silberquellen (Silberquellen, auf Russisch: Серебряные Ключи / Serebryanye Kluchi) zu nennen, weil es dort ausgiebige Vorkommen von sauberem Grundwasser gibt, das auf natürliche Weise aus Quellen im Bereich der Siedlung an die Oberfläche kommt.
Eine Gruppe von Menschen mit traditionellen landwirtschaftlichen Fähigkeiten wurde benötigt. Eine vorläufige Analyse der russlanddeutschen Gemeinden zeigte, dass die gewünschten Arbeitskräfte unter den Mennoniten zu finden waren, die lange landwirtschaftliche Traditionen hatten. Es wurde beschlossen, Mennoniten einzuladen, die in den westlichen Bezirken der Oblast Orenburg lebten, hauptsächlich in den Bezirken Alexandrowskij und Krasnogwardejskij, wo es einen relativen Überschuss an Arbeitskräften gab. Dies lag daran, dass fast alle jungen Menschen auch nach ihrem Hochschulabschluss in ihren Heimatsiedlungen arbeiteten und lebten. Es gab einen sehr hohen Prozentsatz von Fachkräften mit höherer und sekundärer Sonderausbildung unter den Mennoniten. Ein großer Teil der Männer erhielt nur während der Aussaat und Ernte bezahlte Arbeit, und es war für Frauen, selbst mit Sonderausbildung, schwierig, Arbeit zu finden. Daher konnte die Abwanderung eines Teils der Arbeitskräfte aus diesen Mikroregionen die dortige Wirtschaftstätigkeit in keiner Weise beeinträchtigen und sogar zum Abbau sozialer Spannungen beitragen.
Von Anfang an legte die Leitung des landwirtschaftlichen Unternehmers Silberborne Priorität auf die Entwicklung des Wohnungsbaus und der sozialen Dienstleistungen für die Bevölkerung der Siedlung.  Dort entstanden ein deutsches Gymnasium, ein Kindergarten, ein Geschäft, ein Postamt, ein Gesundheitszentrum, ein Kulturhaus, eine Bibliothek und eine Cafeteria.
Ende 1987 lebten 93 Familien im Dorf. 9 Familien waren national gemischt: sechs russisch-mennonitische, eine deutsch-weißrussische, eine tatarisch-russische und eine deutsch-kasachische. Die Silberborne war die erste deutsche Siedlung, die unter Beteiligung lokaler Behörden in Zentralrussland organisiert wurde.
Indigene Bewohner der umliegenden russischen Dörfer bemerkten den Fleiß der russlanddeutschen Mennoniten, ihre gute Organisation des Arbeitsprozesses, die zu einer erheblichen Steigerung des Ertrags der Pflanzen führte. Die mennonitischen Aussiedler führten Buchweizen in die Fruchtfolge ein, der dort schon lange nicht mehr angebaut worden war.
Am 23. und 25. Januar 1988 fand in der Siedlung Silberborne ein Seminar statt, an dem Fachleute aus verschiedenen Wissensbereichen,– Ethnographen, Ökonomen, Geographen, Psychologen, Soziologen, Anthropologen, Linguisten und Kunsthistoriker,– teilnahmen.
Das Seminar widmete sich der Analyse der Erfahrungen mit der Schaffung von Silberborne als russlanddeutsche Ansiedlung und dem Problem der Rückgewinnung der Nicht-Schwarzerde-Region auf der Grundlage lokaler Subkulturen.82
Es wurde vorgeschlagen, Empfehlungen an Regierungsstellen weiterzuleiten, dass die Lösung nationaler Fragen, auch solcher, die Russlanddeutsche betreffen, nur in Verbindung mit den wirtschaftlichen Interessen der Regionen möglich sei.

Am 1. Juli 1991 wurde der Deutsche Nationalrajon in der westsibirischen Region Altai durch Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der Russischen Föderation wiederhergestellt. Die Bundesrepublik Deutschland leistet wesentliche Unterstützung bei der Entwicklung der Wirtschaft und der sozialen Einrichtungen dieses russlanddeutschen Gemeinwesens.
Zwischen 1991 und 2006 entstanden dort 168 Wohnungen (1-, 2-, 6- und 9-Mehrfamilienhäuser) mit einer Gesamtfläche von 17.400 m2 auf Kosten Deutschlands, des russischen Bundeshaushalts und eigener Mittel. In der Ansiedlung Halbstadt wurden mit Unterstützung von deutscher Seite eine moderne leistungsfähige Fleischverarbeitungsanlage und eine Mühle errichtet. Im Dorf Grischkowka wurde eine Milchverarbeitungsanlage gebaut.
Heute ist die Landwirtschaft der Schwerpunkt der Wirtschaft des nationalen Rajons. Es verfügt über moderne Anlagen zur Verarbeitung von Getreide, Sonnenblumenkernen, Fleisch und Milch. Das Gebiet liegt in einer Zone riskanter Landwirtschaft. Durch das neu eingeführte Bewässerungssystem wurde die Produktion von Viehfutter und Gemüse entwickelt.
Die Zeitung ‚Neue Zeit‘ erscheint seit der Wiederherstellung des Deutschen Nationalrajons.
Bis 1997 befand sich die Redaktion der Zeitung in Slawgorod. Die Zeitung wurde als zweisprachig angemeldet und erschien auf Russisch und Deutsch. Allerdings, bis 2006 wurden die Materialien in deutscher Sprache fast nicht mehr veröffentlicht und sind seit 2007 wieder aufgetaucht, wenn auch in einem kleineren Umfang.
Zum 31. Juli 2017 lebten 16.366 Menschen im nationalen Rajon: Russen, Russlanddeutsche und Ukrainer. Russlanddeutsche machten damals etwa 25% der Bevölkerung aus. Obwohl zunächst eine Stimmung des wirtschaftlichen Aufbruchs herrschte und es den Menschen gut ging, war die Massenauswanderung vieler Russlanddeutscher in die „historische Heimat“ Deutschland nicht zu verhindern.
Bald kamen nach Deutschem Nationalrajon viele deutsche Familien aus Kasachstan und Kirgisistan. Dabei handelte es sich um kirgisische und kasachisch-deutsche Familien, die sich aber mit anderen ethnischen Gruppen aus den jeweiligen Ländern vermischt hatten. Viele von ihnen sprachen kein Deutsch. Heute wird großer Wert auf die Bewahrung der deutschen Kultur und Geschichte gelegt.

Am 13. Oktober 1991 fand eine Volksabstimmung über die Bildung eines deutschen Nationalbezirks in fünf benachbarten Bezirken der Oblast Omsk statt, in denen die Mehrheit der Bevölkerung Russlanddeutsche waren. 71% der Bewohner des zukünftigen Bezirks nahmen an der Volksabstimmung teil, von denen 82,7% für die Schaffung des deutschen Nationalbezirks mit dem Verwaltungszentrum in der Siedlung Asow waren.
Auf der Grundlage dieses Beschlusses beschloss die Sitzung des Omsker Regionalrats der Volksdeputierten am 18. Dezember 1991, den Deutschen Nationalrajon Asowo zu bilden.
Der Rajon besteht aus 29 Siedlungen.
Der erste Leiter der Rajonsverwaltung war Doktor der biologischen Wissenschaften, Leiter des Labors der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Agrarwissenschaften, Bruno-Heinrich Reiter (Bruno Genrichowitsch Reiter; *1941; †2019), der die Schaffung des Bezirks initiierte. Zu diesem Amt wurde er 1996, 2000 und 2005 wiedergewählt.
In den ersten Jahren des Bestehens des Deutschen Nationalrajons Asowo leistete die Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) umfangreiche finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung der Region.
1993 wurde der ‚Azowo-Fonds für soziale und wirtschaftliche Entwicklung‘ gegründet, um die von Russland und Deutschland der Region zugewiesenen Finanzen zu verwalten. Neben der Finanzierung von Industrieanlagen in der Region bestand eines der Hauptziele des Fonds darin, den Bau von Wohngebäuden für Migranten zu finanzieren und privaten Auftraggebern, die ihre eigenen Häuser bauen wollten, Kredite zur Verfügung zu stellen.
Viel Aufmerksamkeit wird im Rajon der Wiederbelebung und Entwicklung der deutschen Sprache als Muttersprache gewidmet. Zum Zeitpunkt der Gründung dieses nationalen Gemeinwesens wurde Deutsch als Muttersprache nur in 2 Schulen unterrichtet. Es wird derzeit in allen 12 Kindergärten in 19 der 27 Schulen des Rajaons unterrichtet. Es wurde eine experimentelle Plattform zum Problem der „Entwicklung des Prinzips der Zweisprachigkeit im deutschen Nationalrajon“ auf der Grundlage der Zwetnopolye-Mittelschule aufgebaut.
Das Autorenteam des Rajons hat Lehrbücher „Deutsch als Muttersprache“ für Schülerinnen und Schüler der 1. bis 9. Klasse vorbereitet. Die kasachische Sprache als Muttersprache wird in zwei Schulen unterrichtet..
Seit Juni 1992 erscheint die Wochenzeitung ‚Ihre Zeitung‘ mit einer Auflage von 2.000 Exemplaren. Von 8 Zeitungsspalten werden 2 regelmäßig in deutscher Sprache gedruckt.
Die Region engagiert sich aktiv für die Wiederbelebung und Entwicklung der deutschen Volkskultur. Das deutsche Kulturfest „Phönix“ und das Kinderfest „Nachtigall“ finden regelmäßig statt. Es gibt auch einen Chor von Veteranen der Arbeit und Ensemble ‚Monica‘ aus Azowo, Folkloregruppen ‚Heimatland‘ und ‚Maiglöckchen‘aus Alexandrowka, Volkstanzgruppe und ‚Volkschor des russischen Liedes‘ aus Gauf Khutor, Folkloreensemble ‚Nelke‘ aus Swonarew Kut sowie den ‚Volkschor des russischen Liedes‘ aus Prischib.
Es gibt orthodoxe und katholische Pfarreien in Azowo.
Am 1. Juli 1992 betrug die Bevölkerungszahl des Rajons etwa 19.400; von ihnen: 11.600 (ca. 60%) waren Russlanddeutsche, 4.700 – Russen, 1.500 – Kasachen, 1.300 – Ukrainer. Nach der russischen Volkszählung von 2002, die am 9. Oktober 2002 durchgeführt wurde, betrug der Anteil der russlanddeutschen Bevölkerung im Rajon 29,3% (etwa 7.000 Personen). Nach der Volkszählung von 2010 lebten im Bezirk 4.512 Russlanddeutsche von 22.925 Menschen. Das waren lediglich 19,68%.

Ende der 1980er Jahre wurde die ‚Deutsch-Russische Regierungskomission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen‘ als grundlegendes Instrument zur Koordinierung und Regulierung der Bemühungen beider Länder ins Auge gefasst. Sie sollte auf die Rehabilitierung und Entwicklung der sozioökonomischen und kulturellen Basis der „deutschen Volksgruppe in Russland“ abzielen. Kommissionssitzungen sollten in Russland und in Deutschland stattfinden, so oft wie nötig, mindestens jedoch zweimal im Jahr. Es wurde auch angenommen, dass bestimmte Unterausschüsse für bestimmte Richtungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gebildet werden könnten. Koordinierte Projekte und Beschlüsse des Regierungskomitees mussten in gemeinsamen Protokollen festgehalten werden, die für beide Seiten verbindlich würden.
Die Kommission wurde durch den Beschluss der Regierungen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Gemeinsamen Erklärung des Präsidenten der Russischen Föderation Boris Jelzin (*1931; †2007) und des Bundeskanzlers der BRD Helmut Kohl (*1930; †2017) gebildet; der am 21. November 1991 in Bonn unterzeichnet wurde. 
Zur Durchführung der in der Gemeinsamen Erklärung festgelegten Vereinbarungen wurde am 10. Juli 1992 das ‚Das Protokoll über die Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation zur stufenweisen Wiederherstellung der Staatlichkeit der Rußlanddeutschen vom 23. April 1992‘ unterzeichnet.


Die Föderale Nationale Kulturautonomie der Russlanddeutschen (FNKA) wurde am 20. Dezember 1997 gegründet. Das erklärte Hauptziel dieser Vereinigung ist die Rehabilitierung der Russlanddeutschen in Russland. FNKA-Mitbegründer Viktor Baumgärtner fordert die Wiederherstellung der „historischen Gerechtigkeit“ und der deutschen Autonomie an der Wolga.
Gemeinsam mit einigen Gegnern von Baumgärtner aus den regionalen Kulturautonomien organisierte Heinrich Martens, Präsident des Familienunternehmens „Internationaler Verband der deutschen Kultur“, im April 2009 einen außerordentlichen Kongress und wurde von seinen Mitstreitern zum FNKA-Präsidenten gewählt.
Heinrich Martens, der bevollmächtigte Vertreter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, und seine Frau Olga Martens wurden zu Hauptmanagern der von Deutschland finanzierten Projekte 83.

Am 31. Januar 2016 unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin den Erlass „Über Änderungen des Dekrets des Präsidenten der Russischen Föderation vom 21. Februar 1992 Nr. 231 „Über dringende Maßnahmen zur Rehabilitierung von Russlanddeutschen“. In diesem Dokument wird Folgendes festgehalten:

 „1. Der Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation vom 21. Februar 1992 Nr. 231 ‚Über dringende Maßnahmen zur Rehabilitierung der Russlanddeutschen‘ wie folgt zu ändern:
a) In der Präambel müssen … die Worte „und Wiederherstellung der Staatlichkeit“ gestrichen werden;
b) Im Absatz 1, Punkt 1 müssen die Worte „und die schrittweise Wiederherstellung der Staatlichkeit der Russlanddeutschen in der Russischen Föderation“ durch die Worte „sozioökonomische und ethnokulturelle Entwicklung der Russlanddeutschen“ ersetzt werden.
c) Im zweiten Absatz müssen die Worte „und die Wiederherstellung der Staatlichkeit der Russlanddeutschen“ gestrichen werden;
d) Im vierten Absatz werden die Worte „die russisch-deutsche Kommission zur Vorbereitung eines gemeinsamen Maßnahmenprogramms zur schrittweisen Wiederherstellung der Staatlichkeit der Russlanddeutschen“ durch die Worte „russisch-deutsche Kommission für russlanddeutsche Fragen“ ersetzt.
Die Frage der Rehabilitierung der Russlanddeutschen in Russland bleibt ungelöst. Trotz den zuvor getroffenen Vereinbarungen weigert sich Russland, durch den Putins Erlass vom 31. Januar 2016, seinen Verpflichtungen zur Rehabilitierung der Russlanddeutschen nachzukommen.


Sozialer und rechtlicher Status der Russlanddeutschen in Deutschland

Mehr als 3 Millionen Russlanddeutsche und ihre Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion leben in Deutschland. Dies ist jedoch weit entfernt von einer homogenen Masse von Menschen. Sie unterscheiden sich dadurch voneinander, dass sie einen unterschiedlichen Aufenthaltsstatus in Deutschland haben. Je nach ihrem rechtlichen Status können sie in 7 Hauptgruppen unterteilt werden:

1. „Vertriebene“.84 Zu dieser Gruppe gehören Personen, die „vor dem 1. Januar 1993“ nach Deutschland eingereist sind. Sie erhielten den Vertriebenenausweis. Vertriebene mit dem Status „Vertriebene“ haben Anspruch auf eine Rente nach dem Fremdrentengesetz. Die von ihnen in Russland oder Kasachstan zurückgelegte Beschäftigungszeit wird bei der Berechnung der Höhe der Rente in Deutschland berücksichtigt. Zwar ist die Höhe ihrer Rente in den letzten Jahren um vierzig Prozent gesunken.

2. „Spätaussiedler“.85 Zu dieser Gruppe gehören Bürger, die nach 31.12.1992 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Statt „Vertriebenenausweis“ erhalten sie eine Bescheinigung nach § 15 des BVFG.86 Ein Spätaussiedler kann nur als „Deutschstämmige“ angesehen werden. Wer als „deutschstämmige Spätaussiedler“ eingeordnet werden kann, wird im BVFG definiert.  
Nach der Bestimmung dieser Norm gilt als Vertreter deutscher Staatsangehörigkeit jemand, der „deutsche Herkunft“ hat (hierfür genügt es, dass ein Elternteil – die Mutter oder der Vater – Deutscher ist. Dieser Person wurden durch Eltern oder andere Verwandten die kennzeichnenden Merkmale wie „deutsche Sprache, deutsche Erziehung, deutsche Kultur“ beigebracht. Schließlich jemand, der sich selbst als Deutscher zu erkennen gibt, mit anderen Worten, der im Inlandspass die Nationalitätseintragung „Deutscher“ hat. Der Zuwanderer ist Deutscher gemäß Artikel 116 Absatz 1 des Grundgesetzes87 und erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er erhält einen kostenlosen 6-monatigen Deutschkurs, ein Integrationsgeld. Er kann seinen Vor- und Nachnamen in deutscher Schreibform des annehmen, „verdeutscht haben“.

3. Вer Ehemann und die Ehefrau eines Spätaussiedlers, wenn ihre Ehe vor der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland 3 Jahre oder länger dauerte, erhalten § 7 BVFG als seine Familienangehörigen.88 Diese Gruppe erhält auch den Status deutscher Spätaussiedler gemäß Artikel 116 des Grundgesetzes und die deutsche Staatsbürgerschaft.
Ihre Situation unterscheidet sich nicht wesentlich von der eines Spätaussiedlers. Außerdem erhalten sie einen Personalausweis, einen Sprachkurs und ein Integrationsgeld. Im Gegensatz zu Spätaussiedlern erhält diese Gruppe von Menschen jedoch keine „Kommandanturgeld“89 nach § 9 (Hilfen) des BVFG. Außerdem wird ihnen keine Rente gewährt. Das von ihnen in der ehemaligen UdSSR zurückgelegte Beschäftigungszeit wird bei der Berechnung der Rente nicht berücksichtigt.

4. Ehemann oder Ehefrau eines Spätaussiedlers, wenn ihre Ehe weniger als 3 Jahre dauerte, bevor sie nach Deutschland ausreiste. Allen Personen, die unter diesen Absatz fallen, wird der Status eines Ausländers gewährt. Sie erhalten keinen Personalausweis, müssen über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, die regelmäßig erneuert wird, und es ist möglich, die deutsche Staatsbürgerschaft frühestens in drei Jahren zu beantragen. Auf dieser Grundlage verliert eine Frau, die beispielsweise die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben hat, mit der Scheidung das Aufenthaltsrecht. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für Frauen, deren Kinder bereits die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben. Wenn sie sich um eine Stelle bewerben, benötigen sie die entsprechende Arbeitserlaubnis, die vom Arbeitsamt ausgestellt wird.

5. Nachkommen oder Kinder eines Spätaussiedlers (Abkömmlinge).
Die Nachkommen eines Spätaussiedlers sind Deutsche im Sinne von Artikel 116 des Grundgesetzes,90 auch wenn sie eine andere Staatsangehörigkeit als „Deutsche“ im Inlandspass haben. Mit Vollendung des 16. Lebensjahres erwerben sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie erhalten keine Rente und kein „Kommandanturgeld“.

6. Andere Familienangehörige eines Spätaussiedlers erhalten Absatz 8.
Allen anderen Familienangehörigen eines Spätaussiedlers, die nicht unter eine der drei Varianten des § 7 des Absatzes 2 des BFVG fallen, wird § 8 dieses Gesetzes zugewiesen. Sie haben den Status eines Ausländers, erhalten keinen Personalausweis.
Sie erhalten die Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft je nach Alter, Stand bez. der ehelichen Beziehungen und des Verwandtschaftsgrades mit einem Spätzuwanderer erst nach 3 Jahren, 5 Jahren, 8 Jahren oder nach 15 Jahren zu erhalten.
Diese Menschen erhalten keine Integrationsbeihilfe und keine kostenlosen Sprachkurse, sie haben kein Recht auf Vor- oder Nachnamensänderung, ihre Studienabschlüsse werden nicht anerkannt, sie erhalten keine Möglichkeit, mit Unterstützung des Otto-Becke-Garantiefonds und der Otto Benecke Stiftung zu studieren.
Sozialhilfe wurde jedoch denjenigen gewährt, die nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge nach Deutschland kamen; als Familienangehörige können sie bei der Krankenkasse versichert werden. Studierende der Hochschule erhalten ein Stipendium, sie können Wohngeld, Kindergeld und Erziehungsgeld beantragen.

7. Menschen, die als deutscher Staatsbürger nach Deutschland gekommen sind, weil sie die Staatsbürgerschaft durch ihren Vater oder Großvater erhalten haben.
Zu dieser Gruppe von Bürgern der ehemaligen UdSSR, die heute in Deutschland leben, gehören Menschen, denen es gelungen ist, die deutsche Staatsbürgerschaft wiederherzustellen, die sie oder ihre Eltern während ihres Aufenthalts in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs erworben haben. Bei der Einreise nach Deutschland müssen sie sich keinem aufwendigen Verfahren der Anerkennung als Spätaussiedler unterziehen. Mit anderen Worten, sie müssen nicht nachweisen, dass ein Elternteil Deutscher war, keine Sprachprüfung bestehen oder nachweisen, dass sie die deutsche Kultur kennen und im deutschen Geist erzogen wurden.
Es ist auch nicht notwendig, dass in den Inlandspass die deutsche Nationalität eingetragen ist. Allerdings, diese Personen kommen „nicht in den Genuss der Vergünstigungen“, die für Spätaussiedler vorgesehen sind, die nach dem „Bundesvertriebenengesetz“ nach Deutschland gekommen sind. Sie erhalten kein Integrationsgeld und keine kostenlosen Sprachkurse, sie können kein „Kommandanturgeld“ und keine Rente beanspruchen.

Ein bedeutender Teil der Russlanddeutschen, die eine höhere Ausbildung erhielten oder sich für eine gewisse Zeit aus familiären oder Berufsgründen außerhalb der Gebiete der ehemaligen Sondersiedlungen aufhielten,91 kann nicht Anspruch erheben, nach Deutschland zurückzukehren.
Der Elite der Russlanddeutschen (Wissenschaftlern, Leitern ländlicher Schulen, Militärs, mit einem Rang über Leutnant) wird die Einreise nach Deutschland verweigert, wegen ihrer denkbaren Beteiligung an „Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems“.92
Es gibt auch andere rechtliche Hürden, die die Russlanddeutschen daran hindern, nach Deutschland als Deutsche zu kommen bzw. ihren schon in Deutschland beheimateten Familien nachzuziehen.93

Maßnahmen zum Ausbau des Solidaritätsnetzwerkes

Die Geschichte der Russlanddeutschen (der Deutschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR) ist ein Paradebeispiel, wie die gemeinsame Unterstützung, engagierte Anteilnahme der Menschen aus anderen Kulturkreisen half ihnen, die Krisensituationen zu überwinden. In Einklang mit dem „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ vom 03.01.2013 (Drucksache 17/12051) des Deutschen Bundestages der 17. Wahlperiode entwickelte und setzte der Verein ‚Ausbildungs- und Forschungszentrum ETHNOS e. V.‘ die Maßnahmen um, die in die folgenden Gruppen eingeteilt werden können: 

1. Vernetzungsaktivitäten

2007 bildete der Verein ‚Ausbildungs- und Forschungszentrum ETHNOS e. V.‘ das anerkannte94 Solidaritätsnetzwerk ‚Integrationsgemeinschaft Dortmund-Silberborne‘, das durch die Vereins Expertengruppe, geleitet wird. Die Expertengruppe berät und unterstützt die Mitglieder dieser vertikal aufgebauten sozialen Struktur. Die Bildung dieses sozialen Netzwerks des bürgerschaftlichen Engagements begann mit einer kleinen Gemeinschaft, die bestimmte, bereits etablierte Verbindungen hatte. Persönliches Vertrauen zwischen Menschen, die sich gut kennen, war der natürliche Beginn der Gründung des Solidaritätsnetzwerkes.
Beziehungen zu anderen Gemeinschaften und Akteuren wurden hergestellt, indem „Brücken“ zu staatlichen Strukturen, politischen Organisationen, Finanzförderinstitutionen, der Presse, religiösen Organisationen und anderen Gruppen von Bürgern geschlagen, Bedingungen für regelmäßige Kontakte geschaffen. Die Plattformen für vertrauensvolle, gegenseitig vorteilhafte Diskussionen und gegenseitige Einflussnahme wurden auf- und ausgebaut.

Die Bildung eines zusammenhängenden Solidaritätsnetzwerks dauerte einige Zeit, denn kurzfristig ist es unmöglich, verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Wünschen und Gedanken zu vereinen, selbst wenn sie derselben Schicksalsgemeinschaft angehören. Folgende Faktoren behinderten die Vernetzungsaktivitäten und damit Auf- und Ausbau des Solidaritätsnetzwerkes: 

 „§ 4 Narzissmus“

Bei manchen Spätaussiedlern, die nach Deutschland gemäß § 4 des BVFG kamen, entwickelte sich ein gewisser Überlegenheitskomplex gegenüber anderen Gruppen von Russlanddeutschen und ihren Familienangehörigen, insbesondere jenen, denen die Einreise wegen § 5 des BVFG verweigert wurde (hauptsächlich der Elite der Russlanddeutschen) und jenen, die z. B. in den 1990er Jahren bedingt durch den Zerfall der UdSSR, auf der Suche nach Arbeit die Aussiedlungsgebiete ihrer Eltern verlassen mussten.95

Gruppennarzissmus (oder kollektiver Narzissmus) ist ein Phänomen, bei dem Individuen das positive Image und die Bedeutung der Gruppe, der sie angehören, übertreiben. Während sich die klassische Definition von Narzissmus auf das Individuum konzentriert, argumentiert Gruppennarzissmus, dass er eine ähnlich übermäßig hohe Meinung von der Gruppe haben kann und auch, dass die Gruppe als narzisstische Entität fungieren kann. Robert Raskin und Howard Terry identifizierten 7 Faktoren des Narzissmus, darunter: Liebe zur Macht, ein Gefühl der Überlegenheit, Exhibitionismus, etwas für selbstverständlich halten, Eitelkeit, Tendenzen, die Ressourcen anderer Menschen und Selbstvertrauen auszubeuten.96

Im Rahmen der Familienzusammenführung verbiete der Gesetzgeber den in Deutschland lebenden Russlanddeutschen, die erwachsenen Kinder zum Daueraufenthalt einzuladen und aus verschiedenen Gründen (vor allem wegen der Unfähigkeit, den Hochdeutschsprachtest zu bestehen) die betagten Eltern, die in den Aussiedlungsgebieten bleiben.


Allerdings, in Krisensituationen „in der ehemaligen Heimat“ wenden sich die in Deutschland lebenden Russlanddeutschen an diejenigen, denen einst die Einreise nach Deutschland verweigert wurde, um bei ihnen die Unterstützung der in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR zurückgebliebenen Verwandten zu finden. Dies zeigte sich auch bei den Ereignissen vom Januar 2022 in Kasachstan.97 Die vertraulichen Beziehungen mit den Vertretern/innen der einheimischen Elite aus Bildung und Wissenschaft, die auf regionaler Ebene gut vernetzt sind, sind in diesem Sinne sehr wichtig. Der Verein AFZ ETHNOS e.V. baut das internationale Solidaritätsnetzwerk zur gegenseitigen Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen zielgerichtet aus. Eine der Unterstützungsformen von einheimischen Wissenschaftlern/innen ist u. a. der Vereinsbeistand bei der Veröffentlichung ihrer Werke in Deutschland.98 Der Verein baut seinen Solidaritätsnetzwerk in Kanada,99 USA,100 Russland,101 Kasachstan,102 in der Ukraine,103 Armenien,104 Georgien,105 Moldawien,106 Israel,107 aus.

Solidaritätsbildungsmethoden bzw. -Maßnahmen

1. Aufrechthaltung von für das Netzwerk kennzeichnenden Überlieferungen.

1.1. Der 28. August ist der jährlich begangene Gedenktag der Erinnerung und der Trauer zum Gedenken an die Deportation der Russlanddeutschen und die Liquidierung der Republik der Wolgadeutschen. Es wird von Russlanddeutschen in Deutschland108 sowie in den postsowjetischen Staaten109 weithin gefeiert.

1.2. Gedenken an die Kriegsopfer.110
2016 erfuhr Helmut Eichmann, der Vorsitzende des Volksbundes der Kriegsgräberfürsorge in Bad Pyrmont, zufällig in einem Gespräch mit Herrn Brand, dem Inhaber des Kötherberghotels, von einem „russischen Soldatengrab“ im Wald. Als Ortsvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge interessierte er sich sehr, da er bei dem jährlichen Gedenken am Volkstrauertag besonderen Wert auf die deutsch-russische Aussöhnung und Zusammenarbeit legt und besuchte deshalb das Lokal von Herrn Brand auf dem Kötherberg zusammen mit Andre Rode von dem Internetfernsehsender „Mensch-TV“, der mit einer Filmkamera Aufnahmen machte. Herr Brand schickte sie dann zum Landwirt Fritz Maris nach Biesterfeld. Herr Maris zeigte das Grab.
Am 4. Juni 2016 zeigte Helmut Eichmann Wladimir Anzukow, dem Vorsitzenden der Deutschen national-kulturellen Autonomie „Einheit“ aus der russischen Stadt Chimki das Grab.
Am 5.Juni 2016 fuhr eine Delegation bestehend aus folgenden Personen zum Grab: Wladimir Anzukow, Dr. Walter Friesen, seine Ehefrau Tatjana Friesen, der Historiker Alex Dreger, die Historikerin und Doktorantin Anna Stutz, Manfred Boeglen, Achmed Aliev und Helmut Eichmann. Sie wurden durch Herrn Maris begleitet.
Die Stahlplatte mit der Inschrift wurde gereinigt, Blumen wurden abgelegt, Wladimir Anzukow vollzog ein russisches und christliches Ritual, bei dem russische Erde aus Moskau auf das Grab gestreut wurde sowie Brot und ein Getränk auf das Grab gestellt wurde. Wir beteten das Vaterunser. Dr. Friesen vollzog noch ein muslimisches Zeremoniell, weil die Konfession des Toten unbekannt ist.
Auch Helmut Eichmann hielt eine kurze Ansprache. Herr Maris berichtete, dass der Soldat offenbar ein sowjetischer Kriegsgefangener war, der auf der Flucht umgekommen ist. Er selbst hat ihn nicht gefunden; aber mit den Betroffenen gesprochen. Es hat auch eine Identifizierungsmarke gegeben, die bei der Gemeinde Rischenau abgegeben wurde. Heute gehören die Dörfer aber alle zur Stadt Lügde, sodass nun diese Gemeindeverwaltung zuständig ist. Das Grab hatte die inzwischen verstorbene Ehefrau von Herrn Maris jahrzehntelang gepflegt, wobei es mit einem früheren Förster erhebliche Auseinandersetzungen gab.
111

1.3. Die Feierlichkeiten zum 8. März werden von Russlanddeutschen in Deutschland und in den postsowjetischen Staaten weithin gefeiert. Es beinhaltet eine etablierte Tradition, Frauen Blumen und andere Geschenke zu geben. Blumen sind am 8. März das begehrteste Geschenk. Gleichzeitig wird die ursprüngliche Bedeutung dieses Tages – der Kampf gegen die Diskriminierung eines Geschlechts – vergessen, und infolgedessen wird dieser Tag einfach als „Feiertag der Frauen“ gefeiert. Alte und junge Frauen und sogar Mädchen werden zu diesem Tag beglückwünscht.

1.4. In Deutschland wird das Neujahrfest von den Russlanddeutschen ausgiebig gefeiert. Seine obligatorischen Attribute sind ein Weihnachtsbaum, ein Weihnachtsmann und eine Schneejungfrau, die zu Kindern kommen und ihnen Geschenke bringen. Es ist auch unmöglich, am Neujahrfest zu schlafen (mit Ausnahme von Kindern unter 7 Jahren), sonst wird das ganze Jahr träge und uninteressant. Der Neujahrstisch soll voll mit Speisen und Weinen sein, damit man das ganze Jahr reich und fröhlich lebt. Auf dem festlichen Tisch müssen unbedingt Mandarinen, Salate „Olivier“, „Mimose“, „Hering im Pelzmantel“, Wein und Wodka, Gurken, Wurst und andere Fleischstücke, Sauerkraut, Sprotten sein. Wenn die Uhr 12 schlägt, muss man sich etwas wünschen. Die Feste werden von traditionellen Liedern begleitet, wie „Ein Weihnachtsbaum wurde im Wald geboren“, „Ein kleiner Weihnachtsbaum ist kalt im Winter“ und „Fünf Minuten“. Für das Neujahrfest ist es üblich, sich neue und bessere Kleidung anzuziehen, denn wenn man das neue Jahr mit einem neuen beginnt, wird man ein ganzes Jahr lang in neuen Kleidern herumlaufen. Es wird auch angenommen, dass man vor dem Neujahrfest kein Geld ausleihen muss, sonst muss man es das ganze Jahr über umsonst verschenken. Daher werden vor dem neuen Jahr alle Schulden im Voraus bezahlt, alle Vergehen werden vergeben, und diejenigen, die sich in einem Streit befinden, sind verpflichtet, sich zu versöhnen. Man glaubt immer noch, dass es unmöglich ist, vor dem Neujahrfest Kredite aufzunehmen, sonst wird man das ganze Jahr über verschuldet sein. Wenn man am Vorabend des Neujahrfestes niest, so wird man es glücklich verbringen.

1.5. Großfamilientreffen.

Von großer Bedeutung für die Solidaritätsbildung der Russlanddeutschen sind Treffen von Verwandten, die nicht zeitlich mit gewöhnlichen Familienereignissen zusammenfallen: Geburtstagen, Hochzeiten, Beerdigungen, wenn auch eine beträchtliche Anzahl von Menschen zusammenkommt. Die Großfamilientreffen finden in den wärmeren Monaten statt, vorzugsweise im Freien. Das Programm des Treffens wird im Voraus erstellt, ist jedoch nicht streng definiert, es werden keine komplexen Sportspiele für Kinder und Erwachsene organisiert. Zu solchen Treffen werden auch gute Freunde eingeladen, verschiedene Themen werden in entspannter Atmosphäre diskutiert, auch solche, die mit der Erziehung von Kindern zusammenhängen. Die Großfamilientreffen sind wichtige Ereignisse, um das Zusammengehörigkeitsgefühl einer großen Anzahl von Menschen zu erhalten.

1.6. Gemeinsame Wanderungen.

Die universellste Art der aktiven Erholung für alle Mitglieder der Integrationsgemeinschaft Dortmund Silberborne ist Tourismus. Er dient als zuverlässiges Mittel zur Verbesserung der Gesundheit und Erholung. Der Tourismus mit seiner Unvorhersehbarkeit von Situationen, die der Atmosphäre von Turnhallen bzw. des Stadions fehlen, hilft, Beobachtung, Entschlossenheit, Mut zu entwickeln – Lebensqualitäten, die im täglichen Leben notwendig sind. Gemeinsames Wandern hat einen unvergleichlichen heilenden Effekt, die durch eine komplexe Wirkung natürlicher Faktoren auf den Körper erzielt wird: Sonne, Luft und eine Vielzahl von motorischen Aktivitäten. Gemeinsame Wanderungen und Ausflüge tragen zur Stärkung der Gemeinschaft bei.
Sie bilden positive moralische Eigenschaften bei Kindern, sie erweitern den Horizont des Kindes, bilden seine primäre Vorstellungen über die Geschichte Deutschlands. Mit dem Erwerb von Erfahrungen im Wanderleben bilden Kinder die ersten Überlebensfähigkeiten in der natürlichen Umgebung. Bei Kindern werden solche Eigenschaften wie Selbständigkeit, Disziplin, Willenskraft weiterentwickelt. Kinder im Alter von 3-4 Jahren können an Gemeinschaftswanderungen teilnehmen. Man muss mit einfachen langen Spaziergängen im Park zum Fluss beginnen. Die nächste Etappe können eintägige Touristenwanderungen im Wald sein.

Die beabsichtigten Ziele der Gemeinschaftswanderungen:

– Gesundheitsverbesserung: Stärkung der Immunität gegen Erkältungen und Infektionskrankheiten, emotionale und psychologische Erholung;

– Sport und Training: Verbesserung der sportlichen Leitungen, körperliches Training, Training zur Überwindung natürlicher Hindernisse;

– Kognitive Entwicklung: Einblick in historische und natürliche landeskundliche Sehenswürdigkeiten;112

– Unterhaltung: Spiele, Lotterien, Wettbewerbe, Wettbewerbe von Köchen, Naturkennern, Musikwettbewerbe;

– Praktische: Sammeln von Pilzen und Beeren, Angeln;

– Ästhetisch-romantische: künstlerische und kreative Aktivitäten in der Natur, einschließlich Zeichnen, Schriftstellerei, Treffen und Kommunikation mit Freunden.

Die Vorbereitung für eine Wanderung kann zu einem spannenden Event-Spiel werden, in dem jeder seine Rolle kennt und kreativ umsetzt. Gemeinschaften, in denen sich bestimmte touristische Traditionen entwickelt haben, können faszinierende touristische Zusammenkünfte in der Natur abhalten. An der frischen Luft zu bleiben kann nie überflüssig sein. Es ist nur wichtig, dass das ganze Leben nicht zu einer kontinuierlichen Feier wird. Aber die Zeit, die frei vom Lernen, Schlafen und Essen ist, soll den Wanderungen gewidmet werden. Schlechtes Wetter für solche Wanderungsaktivitäten ist extrem selten (Regenguss, Hurrikan, Schneesturm, +40°, -30°). Und es sollte ehrlich zugegeben werden, dass unter dem Begriff „schlechtes Wetter“ oft völlige Faulheit versteckt ist. Leider führen die Errungenschaften der Zivilisation – Fernsehen, Computer, Spielzeug – immer häufiger dazu, dass der Aufenthalt in Innenräumen als bevorzugter angesehen wird.

2. Sammeln von Ideen / Denkrunden / Brainstorming

Die Veranstaltungen zum Sammeln von Ideen, an denen eine beträchtliche Anzahl interessierter Mitglieder auch online teilnehmen kann, ermöglichen, die Integrationsgemeinschaft bei der Diskussion drängender Fragen zu mobilisieren. Durch die gemeinsamen Aktivitäten von Teilnehmern, die sich in Erfahrung, Wissen, Vision der nahen Zukunft voneinander unterscheiden, werden die notwendigen Voraussetzungen für einen synergistischen Effekt geschaffen – eine qualitative Multiplikation des Wissens.113 Dadurch entstehen neue Ansätze und Entwürfe von Gemeinschaftsvorhaben. Eine freundliche Umgebung ermöglicht es den Teilnehmern, ihre Fähigkeiten und Denkweise offenzulegen, Selbstwertgefühl zu stärken und ihre psychologische Trägheit zu überwinden. Obwohl zahlreiche Studien gezeigt haben, dass die Zusammenführung von Menschen zwecks Brainstormings oft nicht zu einer Steigerung, sondern im Gegenteil zu einer Abnahme der Anzahl der von ihnen produzierten Ideen im Vergleich zur individuellen Arbeit sowie zu einer Abnahme ihrer Qualität führen kann, können solche Maßnahmen als ein effektiver Weg angesehen werden, um die engagierten Mitglieder der Integrationsgemeinschaft zu vereinen.  Die online Brainstormingkonferenzen haben sich als Kommunikationsmittel zum Sammeln von Ideen während der Pandemienotabsperrungen gut bewertet. Dadurch sind einige empfehlende Handreichungen zur Vorbeugung von ansteckenden Krankheiten entstanden.114

3. Zu Beginn der Gründung der Integrationsgemeinschaft Dortmund-Silberborne war die Durchführung von Englischunterrichten mit den Eltern eine wirksame Maßnahme zur Teambildung unter Verwendung der vergleichenden Sprachmethodik, die auf der ersten grammatikalisierten Sprache der Teilnehmer/innen basierte.115 Dies gab ihnen die Möglichkeit, den Erfolg von ihren Schulkindern zu kontrollieren und zu steuern. Gemeinsame Klassen brachten Eltern zusammen, zugleich wurden die drängenden Fragen der Erziehung und Bildung der Kinder gelöst und diskutiert, insbesondere beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule.
Später wurde auf der Grundlage dieser Methodik ein Handbuch zum vertieften Erlernen der wichtigen Begriffe der deutschen Sprache und Kultur veröffentlicht. Das gemeinsam mit dem kasachischen Autorenteam verfasste Lehrwerk „12 Episoden der Deutschen Geschichte“116 wird derzeit im Deutschunterricht an Bildungseinrichtungen der postsowjetischen Staaten verwendet.


4. Unterstützung und Mitwirkung bei der Lösung spezifischer Probleme der Gemeinschaftsmitglieder  

Nichts wird mehr geschätzt als die konkrete Unterstützung durch den Expertenrat und die Aktivisten der Gemeinschaft, um die spezifischen Anliegen der Gemeindemitglieder anzugehen.

4.1. Kindererziehung / Gefahr der Fremdunterbringung

In Deutschland darf der Staat nur in begründeten Ausnahmefällen in das Erziehungsrecht der Eltern eingreifen. Art. 3 Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes schreibt fest, dass „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ Das Bundesverfassungsgericht gewährt den leiblichen Eltern eines Kindes einen Vertrauensvorschuss, indem es unterstellt, „dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution.“117

Art. 6 (2) des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland besagt, dass „Pflege und Erziehung der Kinder … das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ sind. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Gleichzeitig, schreibt Art 6 (4) fest, dass „Jede Mutter … Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat.  Das deutsche Grundgesetz unterscheidet die Gemeinschaft von der staatlichen Gemeinschaft.

Family, Mutter, Jugendamt

B.Pak: Mutter und ihr Kind.
Die Malerei ist mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Ileshan Smanov
aus seinem Buch “Timeless Values” (ISBN 978-601-292-654-5) entnommen

Die Integrationsgemeinschaft Dortmund-Silberborne, deren Mitglieder durch ein starkes „Wir-Gefühl“ miteinander eng verbunden sind, setzt sich mit den Erziehungsproblemen von Kindern auseinander.118 Allerdings, der Wunsch des Kindes, die Gefühle der Mutter, des Verwandtschaftskreises, die Stellungnahmen der russlanddeutschen Öffentlichkeit werden von Gerichtsinstanzen selten berücksichtigt. „Waren die Eltern nicht in Israel geboren oder ihre Herkunft unbekannt, so erhöhte dies die Wahrscheinlichkeit einer Überweisung an die Kinderschutzstelle.119 Die Jugendämter weigern sich, die Zusammenarbeit mit dem Familienkreis bzw. mit der russlanddeutschen Gemeinschaft in Kauf zu nehmen. Eine solche Kooperationsbereitschaft könnte positiv auf die Bewahrung des Kindeswohls einwirken und vorteilhaft für alle Beteiligten sein. Ein Kooperationsvertrag zwischen den Jugendämtern und anerkannten Vertretern der russlanddeutschen Gemeinschaften wäre auch für alle Beteiligten vorteilhaft, ansonsten erscheinen Jugendämter „als „autopoietische“ abgeschlossene und gewissermaßen widerspenstige Systeme“, die „schwer von außen, etwa durch die Politik, zu steuern“120 sind. 

4.2. Hilfe für Neuankömmlinge.

Wenn Spätaussiedler in Dortmund, Witten, Unna und anderen Städten Deutschlands ankommen, werden sie von den zuständigen Experten der Gemeinschaft informiert, welche Behörden, Ämter und in welcher Reihenfolge zuerst besucht werden müssen. In der individuellen Beratung werden alle weiteren Fragen, die für die Spätaussiedler wichtig sind, geklärt. Unterstützung wird beim Ausfüllen von Anträgen und bei der Kontaktaufnahme mit Behörden und Ämtern geleistet.
Wenn die Spätaussiedler Schwierigkeiten haben, die für sie neuen Begriffe der deutschen Gegebenheiten zu verstehen, kommen die erfahrenen Leiensprachmittler, betreut von Laien-Sprachmittlerpool121 zur Hilfe.  
Unterstützung wird in folgenden Fällen geleistet:
– Wohnungssuche und Anmeldung des Wohnortes
– Unterstützung bei der Eröffnung eines Bankkontos
– Unterstützung bei der Anmeldung bei der Krankenkasse
– Unterstützung bei der Beantragung der deutschen Ausweisdokumente (Personalausweis, Reisepass)
– Unterstützung bei der Wahl von geeigneten Sprachkursen
– Unterstützung bei der Anmeldung von Kindern im Schulamt und bei der Schulwahl
– rechtzeitige Hilfe in besonderen Lebenssituationen.
Die Integrationsgemeinschaft Dortmund-Silberborne ist eine der öffentlichen Einrichtungen, die Neuankömmlingen hilft, sich nahtlos in die Gesellschaft zu integrieren. Gemeinsam mit Experten wird ein Plan erarbeitet, der vor allem auf die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt abzielt. 

Aktivitäten zur Steigerung der Selbstwertschätzung von Russlanddeutschen

Steigerung der Selbstwertschätzung ist wichtig für die Solidaritätsbildung von Russlanddeutschen. Selbstvertrauen ist eine Persönlichkeitseigenschaft, deren Kern eine positive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch den Einzelnen als ausreichend bewertet wird, um für ihn bedeutsame Ziele zu erreichen und seinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Grundlage für die Bildung von Selbstvertrauen sind eine ausreichende Bandbreite von Verhaltensalternativen, positive Erfahrungen bei der Lösung sozialer Probleme und das erfolgreiche Erreichen eigener Ziele (Bedürfnisbefriedigung).
Für die Selbstbewusstseinsbildung ist nicht nur der objektive Lebenserfolg, der soziale Status, das Geld etc. wichtig, sondern auch eine subjektive positive Einschätzung der Ergebnisse des eigenen Handelns und die Beurteilungen, die von „bedeutenden Personen der Gesellschaft“ abgegeben werden.

Positive Einschätzungen und Wirksamkeit eigener Fähigkeiten und Fertigkeiten bestimmen den sozialen Mut bei der Festsetzung neuer Ziele und Aufgaben sowie die Initiative, mit der eine Person deren Umsetzung angeht. Einer der Gründe für die Verhaltensstörungen kann das mangelnde Vertrauen in die Wirksamkeit des eigenen Handelns sein. Selbstwirksamkeit oder der Glaube an die eigene Wirksamkeit bedeutet, einen Menschen davon zu überzeugen, dass er in einer schwierigen Situation in der Lage sein wird, erfolgreiches Verhalten zu zeigen. Das heißt, der Glaube an die Wirksamkeit bedeutet eine Einschätzung der eigenen, ganz konkret bezeichneten Verhaltenskompetenz

Ein wesentliches Merkmal vieler psychischer Erkrankungen ist ein mangelndes Vertrauen in die eigenen Verhaltens- und Erfahrungsfähigkeiten. Diese Erkrankungen gehen mit einer Unterschätzung oder Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten und Verhaltensweisen einher.

Ob eine bestimmte Person in einer bestimmten Situation erfolgreich sein kann, hängt nicht nur von ihrer eigenen Kompetenz ab, sondern auch von einer Reihe anderer Faktoren. Wichtig für die psychische Gesundheit eines Individuums und das Wohlbefinden sind jedoch nicht so sehr die objektiven Ergebnisse selbst, sondern deren Interpretation durch das Individuum, die Gemeinschaft und die Gesellschaft. Das gestärkte Selbstbewusstsein der Gemeinschaftsmitglieder ermöglicht es, die in der Gesellschaft auftretenden Krisensituationen zielgerichtet zu bewältigen.
Allerdings kann die gesellschaftliche Einstellung zur Bedeutung der Stimulierung der Entwicklung eines Würdegefühls, in diesem Fall bei den Russlanddeutschen, nicht immer als angemessen angesehen werden. Anschaulicher Beweis dafür ist das sogenannte „mBook Russlanddeutsche Kulturgeschichte“, dessen Autoren die lang ersehnte Heimkehr von Russlanddeutschen mit der Wanderlust von Primaten gleichstellten:122

https://rd.institut-fuer-digitales-lernen.de/mbook/1-der-mensch-als-wanderer/11-aussiedler-einwanderer-fluechtlinge-warum-begeben-sich-menschen-an-andere-orte/galerie-wanderer/
(heruntergeladen am 20.07.2018, um 07:00 Uhr)

Um sich solchen verzerrten Bildern über die Geschichte von Russlanddeutschen entgegenzusetzen, gibt der Verein AFZ ETHNOS e. V. die Bücher auf Deutsch, Englisch und Russisch zur Aufklärung der Öffentlichkeit heraus.123 Den Titeln, die wechselwirkende, zwischenmenschliche Beziehungen zwischen den Deutschen und Völkern des Russischen Imperiums widerspiegeln, wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt.124

Die von Vereinsmitgliedern ins Russische übersetzten Bücher der deutschen Geschichtsforscher125 über die Geschichte und Rolle der Deutschen in Osteuropa und in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR sind auch wichtig für die Aufklärung und die Solidaritätsbildung bzw. des Wir-Gefühls bei der breiten Öffentlichkeit.

Zur Steigerung der Selbstwertschätzung von Russlanddeutschen trägt die vom Verein AFZ ETHNOS e. V. herausgegebene Enzyklopädie „Deutsche Autoren Russlands“ von Edmund Mater126 die bisher vollständigste und umfangreichste Sammlung von Daten, Werken und Biografien bekannter Persönlichkeiten deutscher Herkunft, die in allen Bereichen der Wissenschaft, Geschichte, Literatur und Kultur tiefe Spuren in der Geschichte Russlands hinterlassen haben. Sie beinhaltet Namen von Wissenschaftler, Kulturschaffender, Schriftsteller Ärzte, Physiker, Chemiker, Geodäten, Politiker, usw., die in Russland lebten, arbeiteten und zusammen mit anderen Völkern diesen großen Staat aufbauten und den Progress des Landes ankurbelten. Dem Autor der Enzyklopädie Edmund Mater gelang es, ein Werk zu schaffen, das es in der russlanddeutschen Medienwelt noch nie gab. Dieses Werk besteht heute aus 8 Bänden, in denen über 6.000 Namen festgehalten sind. Die Texte sind zum großen Teil zweisprachig präsentiert – in Russisch und in Deutsch, wodurch der Zugang zur gesammelten Information für einen größeren Kreis von interessierten Lesern erleichtert wird und ihnen damit auf der Suche nach bestimmten Personen gute Hilfe leisten kann.

Narrative Expositionstherapie zum Abbau von Posttraumatischen Belastungsstörungen

Die nach Deutschland heimgekehrten Russlanddeutschen verschiedener Altersstufen, die Deutschland als Schutzoase wahrnahmen, leiden an erlebten bzw. ererbten posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Symptome einer PTBS können viele Jahre nach dem traumatischen Ereignis auftreten. PTBS kann zu Problemen wie Depressionen, generalisierten Angststörungen, Panikattacken, Süchten, suizidalem Verhalten, Aggressivität führen. Studien zufolge ist das PTBS-Risiko auf der Epigenetik-Ebene bei zukünftigen Kindern von traumatisierten Eltern sehr hoch.127

Die narrative Expositionstherapie ist eine Behandlung für Traumastörungen, insbesondere bei Personen, die an komplexen und multiplen Traumata leiden. Es wurde am häufigsten in Gemeinschaftseinrichtungen und bei Personen verwendet, die ein Trauma als Folge politischer, kultureller Verfolgung oder aufgrund ihrer Nationalitätszugehörigkeit erlebt haben. Der Abbau von PTBS wird individuell oder in kleinen Gruppen als Geselligkeitsgespräche,128 in Form einer Biographiearbeit129 durchgeführt. Diese Maßnahmen werden in den Räumlichkeiten der AWO Begegnungsstätten Westerfilde (Speckestraße 19, 44357 Dortmund) oder der Neuapostolischen Kirche (Bermesdickerstr. 6, 44357) durchgeführt. Um der Intimitätssicherung willen werden Ort- und Zeitangaben dieser Geselligkeitsgespräche geheim gehalten.130 Es versteht sich, dass die Geschichte, die eine Person sich selbst über ihr Leben erzählt, beeinflusst, wie die Person ihre negativen Erfahrungen bzw. ihr Wohlbefinden wahrnimmt.
Die eigene Lebensgeschichte ausschließlich um die traumatischen Erfahrungen herum zu gestalten, führt zu einem Gefühl von anhaltendem Trauma und Stress. Unter Anleitung eines/er Mentor/in, die Vertrauenspersonen sein müssen, erstellen die an PTBS leidenden Gemeinschaftsmitglieder eine chronologische Erzählung ihres Lebens, die sich hauptsächlich auf ihre traumatischen Erlebnisse konzentriert, aber auch einige positive Ereignisse einbezieht.
Es wird von Vereinsexperten angenommen, dass dies die Verflechtungen von kognitiven, affektiven und sensorischen Erinnerungen an das Trauma in eine weniger traumatisierter Wahrnehmungsbild der Vergangenheit einzuordnen, möglich ist. Durch die von Mentoren gesteuerte Erzählung füllen die an PTBS leidenden Personen (PTBS-LP) Details fragmentarischer Erinnerungen aus und entwickeln eine zusammenhängende autobiografische Geschichte. Dabei werden die Erinnerungen an traumatischen Episoden von Mentoren ohne jegliche Beurteilung empfunden und gemeinsam verfeinert. Schlüsselelemente des Verhaltens der Mentoren sind mitfühlendes Verständnis, aktives Zuhören und eindeutig positive Wertschätzung.
Die Mentoren bitten den PTBS-LP, ihre Emotionen, Gedanken, sensorischen Informationen und physiologischen Reaktionen detailliert zu beschreiben. Sie werden gebeten, die traumatische Erfahrung zu erzählen und die erlebten Emotionen noch einmal zu erleben, ohne die Verbindung zur Gegenwart zu verlieren. Präsent zu bleiben wird erreicht, indem permanent auftretende Erinnerungen, die zu verarbeiten sind, auch als Bestandteil der Gegenwart wahrgenommen werden. Gleichzeitig wird es versucht, diesen Erinnerungen positive Besonderheiten zu verleihen: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen“ (Johann Wolfgang von Goethe).
Durch die Erzählung seiner gesamten Lebensgeschichte müssen die PTBS-LP nicht ein bestimmtes traumatisches Ereignis aus zahlreichen im Laufe des Lebens erlebten auswählen. Vielmehr den PTBS-LP die Freiheit gewährt, sein ganzes Leben zu reflektieren und seine Identität mehr positiv anzusehen. Die Aufarbeitung der Biografie hilft den PTBS-LP, sich mit den miteinander verbundenen emotionalen Reaktionen auseinanderzusetzen und die Auswirkungen der negativen gesundheitsschädlichen Erinnerungen abzubauen.

Die Narrative Expositionstherapie (NET) unterscheidet sich von anderen Stressabbaumethoden durch ihren ausdrücklichen Fokus auf das Erkennen und Erstellen eines Berichts oder Testaments dessen, was passiert ist, in einer Weise, die dazu dient, die Selbstachtung der PTBS-LP wiederzuerlangen und ihre Würde bzw. Menschenrechte anzuerkennen.

Der Begriff Erzählpsychologie wurde 1986 von Theodore Roy Sarbin (*1911; †2005) in seinem Buch „Narrative Psychology: The storied nature of human behavior131 eingeführt. Menschliche Aktivitäten und Erfahrungen sind mit Bedeutungen und Geschichten gefüllt und nicht mit logischen Argumenten oder begründeten Formulierungen. Die Erzählpsychologie untersucht, wie Menschen Erzählungen aufbauen, um Erfahrungen zu sammeln und mit ihnen zu arbeiten.
Die Geschichten, die Menschen erzählen, sind bedeutsam, sie verdienen eine genaue Untersuchung, sowohl im Hinblick darauf, wie sie wichtige Ereignisse im Leben der Menschen signalisieren, als auch im Hinblick darauf, wie sie ihre soziale Identität widerspiegeln und verstärken. Da Menschen ihren Erfahrungen durch Geschichtenerzählen einen Sinn geben, steht dieses Geschichtenerzählen von Erfahrungen im Mittelpunkt der Analyse im Rahmen der Erzählungstherapie. Wenn Ärzte eine Anamnese erheben, agieren sie unweigerlich als Ethnographen, Historiker und Biographen, was für das Verständnis individueller Aspekte, persönlicher Eigenschaften, sozialer und psychologischer Funktionsweisen, biologischer und physikalischer Phänomene notwendig ist.

Der langjährige tatsächliche Völkermord an den Russlanddeutschen in der UdSSR hat die Psyche ganzer Generationen beeinträchtigt. Im Rahmen von Einzel- und Gemeinschaftsveranstaltungen wird von Experten des Vereins Ausbildungs- und Forschungszentrum ETHNOS e. V. die Methode der Vergleichenden Narrativen Expositionstherapie (VNET) auf der Grundlage von Gemälden der Künstler und Schriftwerken der Autoren angewandt, die ähnlich schreckliche Lebenssituationen erlebten. Eine Analyse der Lebenssituationen anderer Menschen erlaubt gerade bei Gruppenveranstaltungen, Datenschutzregeln zu berücksichtigen und gleichzeitig das eigene Schicksal mit dem Schicksal anderer zu vergleichen, eine interne Analyse möglicher Auswege aus einer schwierigen psychischen Situation zu machen. Eine Maßnahme zum Zweck der Durchführung der Vergleichenden Narrativen Expositionstherapie kann eine Zusammenkunft von zwei oder mehr Personen sein. Solche zielgerichteten Treffen können von Angesicht zu Angesicht oder auch virtuell stattfinden, wie z. B. in Form einer Telefon-, Skype- oder Videokonferenz.

Die VNET-Maßnahmen sind nach der Open Space Technology (OST) organisiert, bei der die Teilnehmer eingeladen werden, um ein bestimmtes Stück Literatur oder Kunst, das ihnen zuvor zugesandt wurde, zu diskutieren, zu bewerten und zu verinnerlichen. In contrast with pre-planned meetings where who will speak at which time will be scheduled often months in advance, and therefore subject to many changes, OST sources participants once they are physically present at the live event venue.
Im Gegensatz zu im Voraus geplanten Veranstaltungen, bei denen oft Monate im Voraus festgelegt wird, wer zu welcher Zeit sprechen wird, nehmen die an PTBS leidenden Personen an der Vergleichenden Narrativen Expositionstherapie teil, sobald sie physisch am Präsenz- oder Onlineveranstaltungsort anwesend sind.

In diesem Sinne ist OST eher von Teilnehmern gesteuert und weniger – von Organisatoren. Jedoch, die Vorausplanung bleibt unerlässlich; man braucht einfach viel weniger organisatorischer Planung.
Vergleichende Narrative Expositionstherapie kann auch als Vergleichende Biographiearbeit oder Biographische Therapie bezeichnet werden.

Bei der Vergleichenden Narrativen Expositionstherapie werden die drei Zeitformen nach John McTaggart Ellis McTaggart132 (*1866; †1925) einbezogen:

  • Erinnerung an die Vergangenheit als Lebensbilanz
  • Begleitung in der Gegenwart als Lebensbewältigung
  • Perspektive für die Zukunft als Lebensplanung

Die Arbeit zur Verbesserung der Vergleichenden Narrativen Expositionstherapie geht weiter.


1. http://rd-senat.de/index.php/aktuelle-beitraege/82-solidaritaet-ist-fuer-die-ueberwaeltigung-der-corona-krise-unabdingbar

2. Melanie Schmickler: Dezernat 3 -Integrationsbüro-; 10.10.2008.

3. Fr. Güntürk / Fr. Engler / Fr. Schmickler: Dezernat 3 -Integrationsbüro-; 21.01.2009.

4. Eine ethnische Gruppe oder mehrere ethnische Gruppen, die einem gemeinsamen historischen Schicksal ausgesetzt sind, werden als Schicksalsgemeinschaft verstanden. 

5. Zur Verbesserung der Lesbarkeit werden die Deutschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR als Russlanddeutsche genannt. Neuerdings ist dieses neu entstandene Ethnonym weit verbreitet und wird häufig als Selbstbezeichnung verwendet.

6. Richter, A. von: Geschichte der dem russischen Kaiserthum einverleibten deutschen Ostseeprovinzen bis zur Zeit ihrer Vereinigung mit demselben; Riga: Kymmel 1857; Bd. I, Abt 1., S. 44. Winckler, Arthur: Die Deutsche Hansa in Rußland. Herausgegeben mit Unterstützung des Vereins für Hansische Geschichte; Berlin: Verlag von R. L. Prager 1886; S. 13.

7. So wurden u. a. die Deutschen, die Untertanen des Heiligen Römischen Reiches waren, genannt. Latein war die offizielle Sprache dieses Staatengebildes.

8. Nach den Berechnungen des Autors, in den X-XV Jahrhunderten auf dem Territorium des multiethnischen Osteuropas zu verschiedenen Zeiten gab es 163 Fürstentümer bzw. Großfürstentümer und 3 Republiken: Republik Wologda (1433-1481), Republik Pskow (XI Jahrhundert–1510) und Republik Nowgorod (882–1478).

9. Памятники дипломатических сношений древней России с державами иностранными. Часть первая: Сношения с государствами европейскими: Памятники дипломатических сношений с Империей Римской; том I; С. Петербург 1851; столбцы 19-20. (Denkmäler der diplomatischen Beziehungen des alten Russlands mit ausländischen Mächten. Erster Teil: Beziehungen zu europäischen Staaten: Diplomatische Denkmäler Beziehungen zum Römischen Reich; Band I; St. Petersburg 1851; Spalten 19-20.

10. Лепёхин, Александр Николаевич: Фамилии служивых людей, проживавших в п. Дедилове в XVI–XVII вв.; Дедилово Тульской области: Авторская рукопись; 1990-е. (Lepyokhin, Alexander Nikolaevich: Nachnamen von Soldaten, die im Dorf Dedilov in den XVI-XVII Jahrhunderten lebten; Dedilovo, Region Tula: Manuskript des Autors; 1990er Jahre.)

11. http://img.encyc.yandex.net/illustrations/bse/pictures/02745/590420.jpg ; abgerufen am 16.06.2023.

12. Olli Niemitalo: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Russian_bread_and_salt.jpg; abgerufen am 01.11.2022.

13. Tuchtenhagen, Ralph: Zentralstaat und Provinz im frühneuzeitlichen Nordosteuropa; Wiesbaden: Harrassowitz 2008; S. 346.

14. https://histdoc.net/nystad/nystad_de.html ; abgerufen am 01.11.2022.

15. Шумилова, Л. Н.: Судьба политической элиты Республики немцев Поволжья в годы Великой Отечественной войны (Schumilowa, L. N.: Das Schicksal der politischen Elite der Republik der Wolgadeutschen während des Großen Vaterländischen Krieges); https://web.archive.org/web/20120319125507/http://www.sgu.ru/files/nodes/10082/29.pdf ; abgerufen am 01.11.2022.

16 Ebenda.

17. Alfred Eisfeld; Victor Herdt (Hgg.): Deportation, Sondersiedlung, Arbeitsarmee / Deutsche in der Sowjetunion 1941 bis 1956. Köln 1996, Dokument 36, S. 54f.

18. Ebenda.

19. Von 1934 bis 1946 war die Abkürzung NKWD (russisch: Narodny kommissariat wnutrennich del) für das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten gebräuchlich. Ab 1946 unterstanden die Arbeitslager-KZs dem Innenministerium der UdSSR (russisch: Ministerstwo wnutrennich del – MWD).

20. 1937 wurde das IwdelLag, ein Straflager des NKWD gegründet. Die Inhaftierten arbeiteten in holzverarbeitender Industrie. Es liegt in der Taiga-Landschaft des Nordural am gleichnamigen Fluss Iwdel kurz vor seiner Mündung in die Loswa.

21. Das Lager befand sich an der Kama im Norden der Region Perm.  Die Inhaftierten arbeiteten in einer großen 1941 aufgebauten Papiermühle.

22. KimpersayLag befand sich im Gebiet Aqtöbe der Kasachischen SSR.

23. BogoslowLag wurde auf Befehl des NKWD am 15. November 1940 organisiert. Es lag am Ostrand des Nordural etwa 430 km nordwestlich der Oblasthauptstadt Jekaterinburg am linken Ufer der Turja, eines rechten Nebenflusses der Soswa. Die Inhaftierten arbeiteten in der Aluminiumhütte.

24. Russisches Zentrum für die Lagerung und das Studium von Dokumenten der Zeitgeschichte, Bestand 644, Inventarverzeichnis 1, Dokument 19.49-50.

25. Bakal ist eines der Zentren der Eisenerzförderung im Südural mit mehreren Tagebauen und Schächten. Es gibt auch Betriebe der Bergbautechnik und der Baumaterialienwirtschaft.

26. Bogoslowsk (nach 1941 – Karpinsk) ist eine Stadt in der Oblast Swerdlowsk (Russland). Nahe Karpinsk   existierte ein Arbeitslager für Russlanddeutsche und deutsche Zivilisten, die vor allem aus Ostpreußen und Pommern als Zwangsarbeiter hierher verschleppt worden waren. Es waren Frauen und Männer zwischen 15 und 65 Jahren. Sie mussten im Kohlebergbau, Wohnungsbau, Straßenbau oder im Steinbruch, teilweise auch als Handwerker in verschiedenen Betrieben arbeiten. Saisonal wurden Arbeitsbrigaden als Waldarbeiter in der Taiga eingesetzt. Darüber hinaus bestand in Karpinsk das Kriegsgefangenenlager 504 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs. S. auch Fußnote 22.

27. Nowokusnezk (wörtlich „Neue Schmiede“) ist eine russische Großstadt im Steinkohlerevier des Kusnezker Beckens im Südwesten Sibiriens. 1932 wurde die Stadt zu Ehren des sowjetischen Führers Josef Stalins in Stalinsk umbenannt und hieß so bis 1961, als die Stadt wieder den Namen Nowokusnezk erhielt.

28. Abakan ist die Hauptstadt der Republik Chakassien in Südsibirien und liegt an der Mündung des Flusses Abakan in den Jenissei. In der Umgebung gab es verschiedene Arbeitslager. Sie dienten hauptsächlich dem Bergbau von Kohle und Gold, dem Bau eines erdölverarbeitenden Kombinates sowie der Holzgewinnung.

29. Barnaul ist die Hauptstadt der russischen Region Altai im Westsibirien.

30. Astana ist die Hauptstadt Kasachstans. Die Stadt hat mehrmals ihren Namen gewechselt. So hieß sie bis 1961 Akmolinsk, von 1961 bis 1991 Zelinograd, von 1992 bis 1998 Aqmola, ab dann – Astana.

31. Kartaly ist eine Stadt in der Oblast Tscheljabinsk (Russland), die am Westrand des Westsibirischen Tieflandes, östlich des Südlichen Urals liegt. Im Bahnhof von Kartalyk kreuzen die Südsibirische Eisenbahn und die Bahnstrecke Tscheljabinsk–Orenburg.

32. Pawlodar ist eine Großstadt in Kasachstan. Sie liegt im Norden des Landes am Fluss Irtysch.

33. Soswa ist eine Siedlung, die im Westen des Westsibirischen Tieflandes liegt. Von 1941 bis 1960 befand sich in Soswa die Verwaltung des Nordural-Straflagers (SewUralLag) im System der Gulag (Netz von Straf- und Arbeitslagern in der Sowjetunion).

34. Alapajewsk ist eine russische Stadt in der Oblast Swerdlowsk im mittleren Ural. In Alapajewsk befand sich das Kriegsgefangenenlager 200 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.

35. Orsk ist eine russische Großstadt in den Südausläufern des Urals. Während des Zweiten Weltkrieges war Orsk auch der Standort des Kriegsgefangenenlagers 7-260.

36. Qandyaghasch (Kandyagasch) ist eine Stadt im nordwestlichen Kasachstan.

37. Magnitogorsk дiegt im Südural zu beiden Ufern des Flusses Ural nahe der Magnitnaja Gora (Magnetberg), dessen Magnetit-Eisenerzlagerstätte den Anstoß zur Errichtung der Stadt gab. In Magnitogorsk befand sich das Kriegsgefangenenlager 102 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.

38. Sara – Bahnhof im Südural (Oblast Orenburg). 

39. Efim Afanasjewitsch Schtschadenko (* 1885; † 1951) war ein Revolutionär, sowjetischer Militär und Staatsmann, Generaloberst (1942). Während des Zweiten Weltkrieges war er stellvertretender Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR.

40. Das Kürzel Gulag (russisch: Glawnoje uprawlenije isprawitelno-trudowych lagerej i kolonij / Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und -kolonien) bezeichnet das Netz von Straf- und Arbeitslagern in der Sowjetunion.

41. Russisches Staatsarchiv für sozio-politische Geschichte, Russisches Zentrum für die Lagerung und das Studium von Dokumenten der Zeitgeschichte (RGASPI), Bestand 644, Inventarverzeichnis 1, Dokument 61, Listen 138–140.

42. Volkskommissariat für Verteidigung / narodny kommissariat oborony (1934–1946)

43. Das Tscheljabinsker Kohlebecken (Tscheljabinsker Braunkohlebecken) liegt in der Oblast Tscheljabinsk östlich und südlich der Stadt Tscheljabinsk, umfasst eine Fläche von 1300 km2 und ist die Hauptbasis für den Braunkohleabbau am Osthang des Urals.

44. Das Karagandaer Kohlebecken ist ein etwa 4.000 km² großes, im Gebiet Qaraghandy gelegenes Steinkohlerevier Kasachstans. Das administrative Zentrum des Gebietes ist Qaraghandy (das ehemalige Karaganda).

45. Volkskommissariat für Kohleindustrie.

46. Volkskommissariats für Erdölindustrie.

47. Volkskommissariat für Eisenbahnwesen der UdSSR.

48. Andrei Wassiljewitsch Chruljow (*1892; † 1962) war ein sowjetischer General und Politiker. 1942/43 war er Volkskommissar für das Eisenbahnwesen der UdSSR. 

49. Hermann Wassiljewitsch Kowaljow (* 1894; †1952) – stellvertretender Volkskommissar für Eisenbahnwesen der UdSSR, ab Februar 1942 – Mitglied der Abteilung für militärische Kommunikation der NKO.

50. Alexander Wassiljewitsch Ljubimow (*1898; †1967) war ein sowjetischer Staatsmann, Volkskommissar und Handelsminister der UdSSR (1939–1948).

51. Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow (eigentlich Skrjabin; *1890; †1986) war ein führender Politiker der UdSSR und einer der engsten Vertrauten Josef Stalins. Molotow war von 1930 bis 1941 sowjetischer Regierungschef (Vorsitzender des Rates der Volkskommissare) und von 1939 bis 1949 sowie 1953 bis 1956 sowjetischer Außenminister.

52. Lawrenti Pawlowitsch Berija (*1899; †1953) war ein sowjetischer Politiker und ab 1938 bis 1953 Chef der Geheimdienste der Sowjetunion.

53. Siehe Referenz 38.

54. Georgi Konstantinowitsch Schukow (*1896; †1974) war Generalstabschef der Roten Armee, Marschall der Sowjetunion. Schukow wurde durch die erfolgreiche Verteidigung Moskaus (1941/42) sowie als Sieger der Schlacht von Stalingrad (1942/43) und der Schlacht um Berlin (1945) international bekannt. In der Nacht auf den 9. Mai 1945 nahm er in Berlin-Karlshorst als Vertreter der Sowjetunion die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht entgegen.

55. Jakow Jermolajewitsch Tschadajew (*1904; † 30. Dezember 1985) war ein sowjetischer Staatsmann, Ökonom und Doktor der Wirtschaftswissenschaften (1972). Während des Zweiten Weltkrieges war er Geschäftsführer der Angelegenheiten des Rates der Volkskommissare der Sowjetunion.

56. Nikolai Michailowitsch Rytschkow (*1897; †1959) war ein sowjetischer Staatsmann und Jurist. 1938–1948 war er Volkskommissar (Justizminister) der UdSSR.

57. Wiktor Michailowitsch Botschkow (*1900; †1981) war ein sowjetischer Militär und Staatsmann, Generalanwalt der UdSSR (1940–1943), Generalleutnant (1944).

58. Iwan Kornejewitsch Sedin (*1906; † 1972) war ein sowjetischer Politiker und Staatsmann, Volkskommissar Erdölindustrie der UdSSR (1940–1944).

59. Wassili Wassiljewitsch Wachruschew (*1902; †1947) war ein sowjetischer Politiker und Staatsmann. 1939–1940 war er Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der RSFSR, gleichzeitig ab 1939 – Volkskommissar der Kohleindustrie der UdSSR (bis 1946).

60. Siehe Referenz 47.

61. Siehe Referenz 48.

62. Michail Trofimowitsch Pomaznew (*1911; †1987) war ein sowjetischer Staatsmann und Ökonom. 1942–1943 war er Sekretär des Verkehrsausschusses im Staatskomitee für Verteidigung.

63. Siehe Referenz 49.

64. Der Name wird im Verteilungsverzeichnis wiederholt. Wird nochmals Nikolai Michailowitsch Rytschkow (Referenz 54) gemeint?

65. https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2002/358/20200630/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2002-358-20200630-de-pdf-a.pdf; abgerufen am 03.12.2022.

66. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

67. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

68. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

69. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

70. Das Gedicht von Reinhold Frank (*1918; †2001); https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhold_Frank_(Schriftsteller).

71. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

72. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

73. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

74. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

75. http://www.damals-im-osten.de/index.php/oskar-aul

76. Oskar Schulz: Die Brechstangenpolitik im Zickzackkurs; https://www.dar-integrationswerk.de/de/geschichte/geschichte-in-schicksalen/auszug-aus-dem-buch-die-brechstangenpolitik-im-zickzackkurs.

77. http://www.damals-im-osten.de/index.php/johanna-jenn/jj-gallery.

78. Oskar Schulz: Die Brechstangenpolitik im Zickzackkurs; https://www.dar-integrationswerk.de/de/geschichte/geschichte-in-schicksalen/auszug-aus-dem-buch-die-brechstangenpolitik-im-zickzackkurs.

79. Wormsbecher, Hugo: Protuberanzen von Mut und Hoffnung (1. und 2. Delegationen der Sowjetdeutschen 1965) // Deutsche Bevölkerung in der poststalinistischen UdSSR, in den GUS-Staaten und den baltischen Ländern (1956–2000): Materialien der IX. Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz. Moskau, 4.–7. November 2002; S. 75–124.

80.Wormsbecher, Hugo: Protuberanzen von Mut und Hoffnung (1. und 2. Delegationen der Sowjetdeutschen 1965) // Deutsche Bevölkerung in der poststalinistischen UdSSR, in den GUS-Staaten und den baltischen Ländern (1956–2000): Materialien der IX. Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz. Moskau, 4.–7. November 2002.

81. Wormsbecher, Hugo: Protuberanzen von Mut und Hoffnung (1. und 2. Delegationen der Sowjetdeutschen 1965) // Deutsche Bevölkerung in der poststalinistischen UdSSR, in den GUS-Staaten und den baltischen Ländern (1956–2000): Materialien der IX. Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz. Moskau, 4.–7. November 2002.

82. Ethnosoziale Probleme landwirtschaftlicher Migrationen. Institut für Ethnographie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Moskau 1990. (Этносоциальные проблемы сельских миграций. Институт Этнографии АН СССР, Москва 1990).

83. http://www.rd-senat.de/index.php/aktuelle-beitraege/78-muessen-die-mitglieder-der-landsmannschaft-der-deutschen-aus-russland-vom-putins-beauftragten-betreut-werden

84. Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG),

§ 1 Vertriebener: „(1) Vertriebener ist, wer … im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien oder China verlassen hat oder verlässt …“

85. Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG),
§ 4 Spätaussiedler: „(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er … 3. … vor dem 1. Januar 1993 geboren ist …“

86. https://www.gesetze-im-internet.de/bvfg/__15.html; abgerufen am 19.12.2022.

87. „(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“

88. (2) Die §§ 8 (Verteilung), 10 (Prüfungen und Befähigungsnachweise) und 11 (Leistungen bei Krankheit) sind auf den Ehegatten und die Abkömmlinge des Spätaussiedlers, die die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 oder 2 nicht erfüllen, aber die Aussiedlungsgebiete im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen haben, entsprechend anzuwenden.

89. (3) Spätaussiedlern aus der ehemaligen UdSSR, Estland, Lettland oder Litauen, die vor dem 1. April 1956 geboren sind, gewährt das Bundesverwaltungsamt zum Ausgleich für den erlittenen Gewahrsam auf Antrag eine pauschale Eingliederungshilfe in Höhe von 2 046 Euro. Sie beträgt bei Personen im Sinne des Satzes 1, die vor dem 1. Januar 1946 geboren sind, 3 068 Euro.

90. Sieh Fußnote 86.

91. Walther Friesen: Wie können „die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Spätaussiedler“ erfüllt werden? – Journal of Ethnic Microhistory, Nr. 4.

92. Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG) § 5 Ausschluss: „Die Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1, 2 oder Abs. 3 Satz 2 erwirbt nicht, wer …
b) in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt oder auf Grund der Umstände des Einzelfalles war, oder
c) wer für mindestens drei Jahre mit dem Inhaber einer Funktion im Sinne von Buchstabe b in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat.“

93. Sieh z. B.: Andrei Triller: The New Amendment to the Law on Late Ethnic German Repatriates is a New Deception of Russia-Germans; https://ethnicmicrohistory.com/the-new-amendment-to-the-law-on-late-ethnic-german-repatriates-is-a-new-deception-of-russia-germans/; abgerufen am 21.12.2022.

94. Sieh Fußnoten 2 und 3.

95. „Gemäß § 4 BVFG können Spätaussiedler nur dann aufgenommen werden, wenn sie Ihren Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten zwischenzeitlich nicht einmal aufgegeben haben“ (Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 07.06.2017 – Az. 11E 318/17).

96. Raskin, Robert; Terry, Howard: A principal-components analysis of the Narcissistic Personality Inventory and further evidence of its construct validity. Journal of Personality and Social Psychology, 1988, Vol 54(5), p. 890-902.

97. Die Proteste in Kasachstan, die später als Januar-Ereignisse oder „Blutiger Januar“ bekannt wurden, begannen am 2. Januar 2022. Obwohl die kasachischen Behörden am 7. Januar über die Wiederherstellung der Ordnung im Land berichteten, hielt das Gefühl der Instabilität in der Bevölkerung noch viel länger an.

98. Zum Beispiel:
– Smanov, Ileskan: Pädagogik der Malerei. Rediroma-Verlag, Remscheid 2021; ISBN: 978-3-98527-418-5; https://www.rediroma-verlag.de/buecher/978-3-98527-418-5.  
–  https://ethnicmicrohistory.com/strategic-factor-in-the-modernization-of-methodological-work-in-schools-of-kazakhstan-in-light-of-the-idea-of-mangilik-el/

99. Mennonite Central Committee Canada (MCC Canada): https://mcccanada.ca/;

100. Mennonite Central Committee USA (MCC USA): https://mccusa.co/;

101. – Human Rights Centre Memorial: https://memohrc.org/en; – http://afz-ethnos.org/index.php/memorial.

102. Ministerium für Bildung und Wissenschaft von Kasachstan / Senior Experten Service: https://www.ses-bonn.de/startseite;

103. http://scientific-papers.afz-ethnos.org/index.php/bauwesen/24-kirchen-in-der-ukraine;

104. Waldorf Schule “Aregnasan” in Yerevan: http://waldorf.am/?lang=de;

105. Nodar-Dumbadze-Jugendtheater in Tiflis: http://www.damals-im-osten.de/index.php/aktuelles/77-pirosmanic-memoirs-about-the-unshod-flea-nodar-dumbadze-youth-theatre-from-tbilisi;

106. http://afz-ethnos.org/index.php/projekte/125-agrotourismus-in-moldawien;

107. https://ethnicmicrohistory.com/escaping-from-ukraine/;

108. http://afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/282-vernetzungstreffen-in-berlin-und-beelitz-heilstaetten

109. http://afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/182-helmut-eichmann-ist-besorgt-dem-pyrmonter-volkstrauertag-bricht-der-brueckenpfeiler-nach-russland-weg

110. http://afz-ethnos.org/index.php/memorial

111. http://www.damals-im-osten.de/index.php/aktuelles/52-hier-ruht-ein-russischer-soldat

112. – http://afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/156-der-vereinsausflug-nach-dem-corona-lockdown
     – http://afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/132-eventbericht-die-alte-synagoge-in-essen

113. „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (Aristoteles: Metaphysik).

114. Wie z. B.: Friesen, Tatiana: FIT gegen COVID. BoD 2021; ISBN-13: 9783754308257.

115. http://www.afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/39-agenda-21-siegel

116. Abdykaeva, Asel; Dreger, Alex; Dreger, Olga; Friesen, Walther: 12 Episoden der Deutschen Geschichte / Frühgeschichte – Attentat von Sarajevo. Pro BUSINESS digital printing Deutschland GmbH, 2015;

ISBN 978-9965-20-727-3.

117. Prof. Dr. Jestaedt, Matthias: Kindeswohl und Elternprimat; https://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/otg/651205-Jestaedt.pdf

118. – Zuwanderungsgemeinschaften als Experteninstanzen und Akteure der Juvenilen Justiz; https://ethnicmicrohistory.com/immigrant-communities-as-expert-bodies-and-actors-of-juvenile-justice/
     – Viel Zuwendung ist das ein Versäumnis der Eltern? https://ethnicmicrohistory.com/a-lot-of-attention-is-that-a-failure-of-parents-excerpts-from-the-case-report/

119. Ackermann, Timo: Über das Kindeswohl entscheiden / Eine ethnographische Studie zur Fallarbeit im Jugendamt. transcript Verlag, Bielefeld 2017; ISBN 978-3-8376-3751-9; S. 31.

120. Ackermann, Timo: Über das Kindeswohl entscheiden / Eine ethnographische Studie zur Fallarbeit im Jugendamt. transcript Verlag, Bielefeld 2017; ISBN 978-3-8376-3751-9;, S. 42.

121. https://www.enkreis.de/bildungintegration/kommunales-integrationszentrum/laien-sprachmittlerpool.html

122. – http://afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/139-mbook-russlanddeutsche-kulturgeschichte-generator-der-fake-history
     – http://afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/119-stellungnahme-zum-mbook-russlanddeutsche-kulturgeschichte
   – http://afz-ethnos.org/index.php/aktuelles/120-offene-antwort-auf-die-rueckaeusserung-von-herrn-dr-ventzke

123. – Friesen, Walther: Die Deutschen – ein Stammvolk Osteuropas / Dreger, Alex: Die Auswanderung der Deutschen nach Russland im Spiegel der deutschsprachigen Presse im Jahre 1763, 1. Auflage.

Pro BUSINNES digital printing Deutschland GmbH, Berlin 2015; ISBN: 978-3-00-051613-9.
     – Friesen, Walther: Die Deutschen – ein Stammvolk Osteuropas / Dreger, Alex: Die Auswanderung der Deutschen nach Russland im Spiegel der deutschsprachigen Presse im Jahre 1763, 2. Auflage. Books on Demand, Norderstedt 2021; ISBN: 978-3-75346-450-3.

     – Friesen, Walther: The Russia-Germans – An Indigenous People of Eastern Europe / An Outline of its History. Books on Demand, Norderstedt 2020; ISBN: 978-3-75264-633-7.
     – Фризен, Вальтер (Friesen, Walther): Империя знаний (Imperium des Wissens). Авторская книга (avtorskaya kniga), Moskau 2014; ISBN: 978-5-4431-0047-0.
– Фризен, Вальтер (Friesen, Walther): Горизонты империи (Horizonte des Imperiums). Rediroma Verlag, Remscheid 2016; ISBN: 978-3-96103-115-3.   

124. – Savyovskyi, Volodymyr; Friesen, Walther: Franz Eduard Graf von Totleben und die Malakow-Türme / Rundbogenstil der Zeche Westhausen und Architektur Russlands. Books on Demand, Norderstedt 2022; ISBN: 978-3-75570-538-3.

     – Friesen, Walther: Frauen aus dem Adelsgeschlecht derer von Mengden. Books on Demand, Norderstedt 2020; ISBN: 978-3-75266-916-9.

125. – Винклер, Артур: Немецкая Ганза в России (Winckler, Arthur: Die Deutsche Hansa in Russland, 1886), Übersetzung und Kommentare von Walther Friesen. Rediroma Verlag, Remscheid 2020; ISBN: 978-3-96103-854-1.

     – Хёльбаум, Константин: Основание немецкой колонии на Двине (Höhlbaum, Konstantin: Die Gründung der deutschen Kolonie an der Düna, 1872), Übersetzung und Kommentare von Alex Dreger. Rediroma Verlag, Remscheid 2022; ISBN: 978-3-98527-501-4. 

126. Mater, Edmund: Enzyklopädie „Deutsche Autoren Russlands“. Rediroma Verlag, Remscheid 2019; ISBN: 978-3-96103-629-5.

127. Yehuda, Rachel; Bierer, Linda M.: The Relevance of Epigenetics to PTSD: Implications for the DSM-V; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2891396/ ; abgerufen am 03.01.2023.

128. Neal, Sarah; Bennett, Katy; Cochrane, Allan; Mohan, Giles: Community and Conviviality? Informal Social Life in Multicultural Places. Sociology, vol. 53, issue 1, February 2019, pages 69–86.  

129. Gahleitner, Silke Brigitta: Biografiearbeit und Trauma. In: Ingrid Miethe: Biografiearbeit. Lehr- und Handbuch für Studium und Praxis. Juventa, Weinheim 2011; ISBN 978-3-7799-2241-4; S. 142–152.

130. Auch nicht auf http://afz-ethnos.org/index.php/event-kalender veröffentlicht.

131. Sarbin, Theodore R.: Narrative Psychology: The storied nature of human behavior. Praeger, Santa Barbara / California 1986; ISBN: 0275921034. 

132. McTaggart, John McTaggart Ellis: Die Irrealität der Zeit. In: Zimmerli, Walther Christoph; Sandbothe, Mike (Hrsg.): Klassiker der modernen Zeitphilosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993; ISBN 3-534-12013-2, S. 67–86

Dr. (Inst. f. Orient.) Walther Friesen
Ausbildungs- und Forschungszentrum ETHNOS e. V.
Dortmund, Germany

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